Der Zauber einer Winternacht
Bryce sich nichts sehnlicher wünschte als eine intakte Familie, war er sehr gern bereit, dem Jungen den Vater zu ersetzen. Aber er wollte sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass er seine gescheiterte Ehe endlich abhakte und ein neues Leben begann.
„Vi ist auch ein toller Mensch“, erklärte er.
Gillian lächelte gezwungen. „Hoffentlich versteht sie, warum du sie über die Feiertage allein lassen willst und mir hilfst.“
Es gelang ihr nicht zu verbergen, wie tief sie getroffen war. Er hatte sie geliebt und jeden zärtlichen Moment mit ihr genossen. Und er konnte sich nach wie vor nicht gegen ihre körperliche Wirkung auf ihn wehren. Aber sie hatte ihm das Herz gebrochen, und sie hatte kein Recht, ihm das Glück zu neiden, das Vi in sein Leben brachte. Ebenso wie die Freude, die ihm die Zuneigung ihres kleinen Jungen bereitete.
Er musste jetzt an Vi denken, an das, was sie für ihn empfand. Das würde ihm helfen, den nur allzu bekannten Duft von Gillians Parfum zu ignorieren und sich wieder der Reiseplanung zu widmen.
„Wann kannst du den Flug buchen?“, fragte er. „Ich möchte die Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich will dabei sein, wenn Robbie seine Weihnachtsgeschenke öffnet.“
Der Gedanke an all die Weihnachtsfeste, die Bonnie nie erleben durfte, trieb Gillian schon wieder die Tränen in die Augen. Bryce verzichtete daher lieber auf die Bemerkung, dass er auch dabei sein wollte, wenn Vi ihr Geschenk auspackte – den Verlobungsring mit dem dreikarätigen Diamanten.
Gillians Ring war seinerzeit wesentlich bescheidener ausgefallen, und er hatte ihn sich trotzdem kaum leisten können. Damals hatte er seine Firma gerade erst gegründet, und sie kämpfte noch ums Überleben. Seine frisch verliebte Braut versicherte ihm, nicht den geringsten Wert auf Diamantringe und tolle Urlaubsreisen zu legen, die er ihr doch so gern geschenkt hätte. Gillian wollte nur eins: dass er mehr Zeit zu Hause verbrachte, mit ihr und später auch mit dem Baby.
Immer noch wünschte Bryce sich, sie könnte seine Motive verstehen und begreifen, warum er seiner Familie mehr bieten wollte als nur das Lebensnotwendigste. Warum er wollte, dass seine Frau stolz auf ihn war.
Inzwischen lief die Firma ausgezeichnet, und sein Traum, Millionen zu machen, war Wirklichkeit geworden. Bryce fragte sich, ob Gillian es jemals bereuen würde, ihn verlassen zu haben. Sie hatte nicht an ihn geglaubt, als es ihm noch sehr viel bedeutet hatte. Jetzt hatte er erreicht, was er wollte, aber er mochte es ihr nicht erzählen. Der Bericht hätte den schalen Beigeschmack von Prahlerei bekommen.
Gillian konnte den inneren Widerstreit ihrer Gefühle nicht vor ihm verbergen. Hoffentlich versuchte sie nicht, Schuldgefühle in ihm zu wecken, nur weil er sich ein neues Leben aufgebaut hatte. Er hatte die Scheidung nicht gewollt, aber jetzt, da er sich endlich damit abgefunden hatte, machte es ihn wütend, dass sie unangemeldet bei ihm auftauchte und ihm wieder bewusst machte, wie sehr er sie einst geliebt hatte.
„Ich freue mich für dich“, sagte Gillian. Es war aufrichtig gemeint. Ihr Lächeln fühlte sich gezwungen an, und sie hoffte, dass es nicht auch so aussah.
Sie konnte sich kaum etwas Schlimmeres ausmalen als eine mehrtägige gemeinsame Reise in die Vergangenheit, während Bryce seine Hochzeit mit einer anderen Frau plante. Mochte es ihr auch noch so schwerfallen – Gillian schwor sich, sich unter keinen Umständen anmerken zu lassen, wie sehr sie nach wie vor an ihm hing. Er hatte eine Bilderbuchfamilie gesucht und gefunden, und sie wollte sich auf keinen Fall wieder in sein Leben drängen.
Trotzdem bereitete es ihr Mühe, höflich und locker weiterzuplaudern. Ihre Gedanken kreisten ständig um die bevorstehende Heirat. Würde Robbie den beiden die Ringe übergeben? Würde die Braut in Weiß erscheinen? Würde Bryce so unverschämt gut und selbstsicher aussehen wie bei ihrer Hochzeit? Sie schüttelte den Kopf, um die lästigen Bilder zu verscheuchen. Wie sollte sie sich so auf das Problem konzentrieren, das sie gemeinsam lösen mussten?
„Besuchen dich deine Eltern über die Feiertage?“, fragte Gillian. Im Stillen hoffte sie, dass ihre Terminplanung dadurch nicht noch mehr erschwert würde.
Bryce schüttelte den Kopf. „Ich habe ihnen zu Weihnachten eine Kreuzfahrt geschenkt.“
„Wie großzügig“, murmelte Gillian.
Und wie schlau …
Sie wusste, dass Bryces Eltern eine solche Luxusreise niemals
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