Der Zauber eines fruehen Morgens
wenn eine Kugel ihr Ziel traf. Bei den Gelegenheiten, wenn sie einen deutschen Bunker gestürmt und sich verängstigten Jungen gegenübergesehen hatten, die »Nicht schießen!« schrien, war ihm schlecht geworden. Wie viele der Soldaten hier, würden diese grotesken Szenen Etienne immer wieder in seinen Albträumen heimsuchen, lange nachdem der Krieg vorbei war.
Um zwei Uhr nachmittags wurde zum Angriff geblasen, und Etienne und sein Trupp sprangen aus ihrem Schützengraben ins Niemandsland, bis zu einem gewissen Grad geschützt von den schweren Geschützen hinter ihnen, die auf die feindlichen Linien feuerten. Es war von Anfang an eine einzige Qual. Die Tornister auf ihren Rücken wogen an die achtzig Pfund, einige Männer trugen dazu noch Spaten, und das zusätzliche Gewicht ließ sie bis zu den Knien im Schlamm versinken. Bei jedem Schritt kostete es mehr Mühe, den Fuß, der von dem matschigen Boden aufgesaugt wurde, aus dem Schlamm zu ziehen, und der strömende Regen machte es unmöglich, mehr als ein paar Meter nach vorn zu sehen. Etienne wusste, dass zehn Männer pro Meter Frontlinie stehen und nach einem derart dauerhaften Beschuss theoretisch in der Lage sein sollten, die feindlichen Stellungen zu erobern und zu halten.
Aber in der Theorie war nicht bedacht worden, dass aus einer Distanz von eineinhalb Kilometern leicht eine von sieben bis acht Kilometern wurde, weil die Männer riesige, überflutete Bombentrichter umgehen mussten. Dann begann das feindliche Bombardement, noch bevor sie dreißig Meter zurückgelegt hatten. Es gab keine Möglichkeit, irgendwo Schutz zu suchen. Nicht ein Baum oder Haus war an diesem gottverlassenen Ort geblieben. Nur hier und da ragte ein einzelner verkohlter Baumstamm ohne Rinde und Blätter wie ein Mahnmal der Verwüstung empor.
Die Granaten, die im Boden einschlugen, schleuderten schlammige Wasserfontänen dreißig Meter und mehr wie gewaltige Geysire in die Luft, die die Sicht noch mehr verschlechterten. Es warbuchstäblich unmöglich, die Orientierung zu behalten; Etienne sah Tommys, die sich unter seine Leute verirrt hatten, und zweifellos fanden sich genauso viele Franzosen bei den Engländern wieder.
Etienne blieb stehen, um denen, die zurückgefallen waren, mit einer Handbewegung zu verstehen zu geben, dass sie nachrücken sollten. Als sie durch den Schlamm stolperten, hoffte er, dass sie seinen letzten Befehl vor dem Vormarsch befolgt hatten, nämlich, darauf zu achten, dass ihre Streichhölzer trocken blieben. Einige der neueren Rekruten schienen sich darüber zu wundern, aber den Grund für seinen Befehl würden sie später erkennen. Das Einzige, was schlimmer war, als in einem Granattrichter festzusitzen, war die Feststellung, dass man sich nicht einmal eine Zigarette anzünden konnte.
Als Etienne sich zu seinen Männern umdrehte, erkannte er an der Zahl der Engländer, die nachrückten, dass die beiden Armeen zu dem Zeitpunkt, wenn sie die deutschen Linien erreichten, hoffnungslos miteinander vermischt sein würden. Wieder explodierte eine Granate, und er sah, wie zwei seiner Männer durch die Luft geschleudert wurden, bevor sie in einem nassen Krater landeten. Dann explodierte noch eine Granate, und ein Tommy erlitt das gleiche Schicksal.
Nicht mehr ganz sicher, ob er eine gerade Linie halten konnte, jedoch imstande, durch den Regen hindurch zu erkennen, dass zwei Deutsche eine Haubitze bemannten und Männer wie Fische in einem Becken abknallten, hielt er kurz inne, um auf sie zu feuern. Ein paar Sekunden lang hatte er die grimmige Genugtuung, zu sehen, wie sie über ihrem Geschütz zusammenbrachen. Als er sich wieder umschaute, konnte er hinter sich keinen seiner Männer mehr sehen, nur Tommys, die sich entschlossen zu den deutschen Linien vorkämpften.
Etienne hatte die Gräuel von Verdun überlebt und war auch an der Endphase der Schlacht an der Somme beteiligt gewesen, und aufgrund dessen, was als »hervorragende Tapferkeit« bezeichnet wurde, nämlich die Tatsache, dass er seinen verwundeten Capitaine gerettet hatte, war er zum Sergeant befördert worden. Aber so furchtbar jene Schlachten auch gewesen waren, diese hier war seiner Meinung nach wesentlich schlimmer. Die Kombination aus rutschigem, aufgeweichtem Boden, Wolkenbrüchen und den verdammten, mit stinkendem Wasser gefüllten Bombentrichtern, in denen häufig Leichen schwammen, machte ein Vorrücken nahezu unmöglich. Allein inmitten eines Hagels explodierender Granaten, suchte Etienne hinter
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