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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Zeitungsartikel über Belle sehr verändert. Es gab keinen Klatsch und Tratsch mehr, stattdessen berichtete sie über das Einkochen von Marmeladen und Einmachen von Früchten oder von Sonntagsausflügen mit Garth. Sie gab sich große Mühe, heiter zu klingen, aber es war nicht zu übersehen, dass sie sich in sich selbst zurückgezogen hatte.
    Schuldgefühle nagten an Belle – wegen ihrer Vergangenheit, die Mogs Leben so sehr beeinträchtigte, und wegen ihrer UntreueJimmy gegenüber. Er schrieb, sooft er konnte, doch auch in seinen Briefen schwang Erschöpfung mit. Was Etienne anging, so schien sein unerschütterlicher Optimismus manchmal fast beängstigend zu sein, denn Belle wusste, dass jedes Glück, das sie mit ihm finden könnte, auf Kosten anderer gehen würde. In all ihren Briefen an ihn schrieb sie, dass es niemals so einfach sein würde, wie er es sich vorstellte. Seine einzige Antwort war stets folgende: Er sei bereit zu warten, egal, wie lange.
    Belle hatte das Gefühl, dass sie nur noch wartete. In einer Schlange anderer Rettungswagen, um neue Verwundete aufzunehmen, auf Briefe, auf das Ende des Krieges und auf den Tag, an dem sie aufwachte und sich nicht mehr so sehr nach Etienne sehnte, dass es wehtat.
    Als Etienne morgens in einem provisorischen Biwak als Schutz vor dem Regen gerade sein Gewehr reinigte, wehte der Klang englischer Stimmen zu ihm herüber. Es war die erste Schlacht, in der sein Regiment Seite an Seite mit den Tommys kämpfen würde. Er hatte größte Hochachtung vor der Ausdauer und Zähigkeit der Briten. Sie kämpften tapfer und beharrlich und zeigten wesentlich weniger Anzeichen der Apathie und Erschöpfung, die vielen Franzosen zu schaffen machten.
    Er glaubte, am Vorabend einen flüchtigen Blick auf Jimmy Reilly erhascht zu haben, wie er gerade half, eine Trage zur Verbandstation zu bringen, hatte sich aber gesagt, dass ihm sein Verstand einen Streich spielen musste. Schließlich gab es in den Reihen der Engländer mit Sicherheit viele hochgewachsene rothaarige Männer. Doch der Gedanke ließ Etienne nicht los, und er ertappte sich dabei, wie er immer wieder die Ohren spitzte, um zu hören, was die Engländer redeten.
    Die Gesprächsfetzen, die er gelegentlich auffing, waren die unter Soldaten üblichen Scherze und sagten ihm nichts, und er fragte sich, was es ihm nützen würde zu wissen, dass Jimmy in der Nähewar. Die Antwort lautete, dass diese Tatsache eine Ablenkung wäre, die er nicht brauchte. Belle lenkte ihn schon genug ab; die Erinnerungen an sie gingen ihm unablässig durch den Kopf, und wenn er nur eine Sekunde lang die Augen schloss, sah er ihr schönes, von dunklen Locken umrahmtes Gesicht, ihre klaren blauen Augen, die ihn anlächelten, und ihre weichen üppigen Lippen, die darauf warteten, von ihm geküsst zu werden.
    Manchmal bereute er es, sie im Lazarett besucht zu haben. Wenn jene gemeinsame Nacht nicht wäre, müsste Belle jetzt nicht unter Schuldgefühlen leiden. Er verachtete sich, weil er sie in eine so furchtbare Lage gebracht hatte, und doch sehnte er sich Tag und Nacht nach ihr.
    Etienne stand auf, warf sich das wasserdichte Cape über die Schultern und betrachtete die Umgebung. Die völlig durchnässten Zelte ragten aus dickem, klebrigem Schlamm. Das Elend dieser Szenerie fand seinen Widerhall in den Gesichtern der Männer, die Zigaretten rauchten, sich zu rasieren versuchten, lauwarmen Kaffee tranken, Briefe schrieben oder ihre Gewehre reinigten. Sie alle hatten beinahe vergessen, wie es war, sauber und trocken zu sein, eine warme Mahlzeit an einem Tisch einzunehmen und in einem behaglichen Bett zu schlafen. Etienne und all die anderen sollten später am Tag vorrücken, hinein in das verfluchte Niemandsland, wo Granaten und schwere Geschütze auf beiden Seiten dieser Schlammwüste Soldaten in Stücke reißen würden. Der Geruch des Todes, ohrenbetäubendes Trommelfeuer und die grauenhafte Vorstellung, dass dieser Tag für jeden von ihnen der letzte sein könnte – das war das Los des Soldaten.
    In seinen Zwanzigern hatte Etienne jeden Kampf genossen. Aber seine Faust in das Gesicht oder in den Bauch eines Mannes krachen zu lassen, der Ärger machte, war etwas ganz anderes; hier hieß es, töten oder getötet werden. Er hatte inzwischen genug Deutsche aus der Nähe gesehen, um zu wissen, dass sie genau wie die Männer, die ihm unterstanden, ganz junge Burschen waren. Es verschaffte Etienne keine Genugtuung, einen Mann vor Schmerzen schreienzu hören,

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