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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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einem halb eingesunkenen Panzer Schutz und hoffte, dass sein Trupp zu ihm fand und sie gemeinsam weiter vorrücken konnten. Während er wartete, feuerte er mit dem Gewehr auf zwei Deutsche, die unablässig auf die Männer schossen, die auf sie zuliefen. Eine verirrte Kugel erwischte ihn am Unterarm, aber trotzdem feuerte er weiter, fest entschlossen, nicht aufzuhören, bis er die beiden entweder getötet oder gezwungen hatte, in Deckung zu gehen.
    Ein Tommy lief an ihm vorbei, so dicht, dass Etienne eine Feuerpause machen musste, um ihn nicht zu treffen. Der Soldat rutschte im Schlamm aus, und als er stürzte, fiel ihm der Helm vom Kopf und gab den Blick auf rotes Haar frei.
    Etienne wusste instinktiv, dass das derselbe Mann war, den er in der vergangenen Nacht für Jimmy gehalten hatte. Noch während er ihn anstarrte und überlegte, ob er ihm helfen sollte, explodierte zwischen ihnen eine Granate.
    Einen Moment glaubte Etienne, von der Explosion blind geworden zu sein, weil er nichts sehen konnte. Doch obwohl er seine Armwunde spürte, empfand er keine Schmerzen im Gesicht, und als er es vorsichtig anfasste, stellte er fest, dass es einfach von dickem Schlamm bedeckt war. Er tastete nach seiner Feldflasche und spritzte sich Wasser in die Augen. Zu seiner Erleichterung konnte er wieder sehen.
    Aber der Rothaarige hatte nicht so viel Glück gehabt. Er lag zusammengekrümmt am Rand eines Granattrichters. Sein linkes Bein und sein linker Arm waren eine einzige blutige Masse. Als er versuchte, sich zu bewegen, sah Etienne sein Gesicht. Es war Jimmy.
    Dieser Mann hatte ihn so manche Nacht bis in seine Träume verfolgt. Es war immer derselbe Traum: Jimmy auf einer Seite, Belle auf der anderen. Etienne sah von einem flehenden Gesicht ins andere und wusste nicht, was er tun sollte. Wenn er vor ihnen weglaufen wollte, stellte er fest, dass er es nicht konnte.
    Jetzt wirkte der Traum prophetisch. Und wie in seinem Traum wusste Etienne nicht, was er tun sollte.
    Er hatte Jimmy sympathisch gefunden, als er ihn bei Verdun kennengelernt hatte, und sein Instinkt drängte ihn, zu ihm zu laufen und ihm zu helfen. Doch dann sah er Belle vor sich und wusste, dass das die Lösung ihrer Probleme sein könnte. Wenn der Mann hierblieb, würde er verbluten; vielleicht erledigte ihn eine weitere Granate, ehe es dazu kam. Nichts und niemand würde mehr zwischen ihnen stehen.
    Aber noch während er hinsah, rutschte Jimmy über den Rand des Trichters in das übel riechende Brackwasser. Seine Hand reckte sich nach oben, und seine Finger bewegten sich hin und her, als er verzweifelt versuchte, sich an irgendetwas festzuklammern.
    Der Anblick seiner Hand war es, der Etienne erschütterte. Diese Hand hatte er an jenem Tag bei Verdun geschüttelt. Er konnte nicht zusehen, wie ein Mann vor seinen Augen ertrank, schon gar nicht einer, den er mochte.
    Wieder explodierte in der Nähe eine Granate. Etienne schoss hinter dem Panzer hervor, packte Jimmy Reilly am Handgelenk und zerrte ihn aus dem Trichter. Jimmys Gesicht war mit Schlamm überzogen, und er litt so starke Schmerzen, dass er die Nähe eines anderen gar nicht wahrzunehmen schien. Etienne schaute sich um. Anscheinend waren die letzten Einheiten vorgerückt; von seinen Männern war nichts zu sehen. Viele andere, Engländer wie Franzosen, lagen tot oder verwundet auf dem Boden, aber der Beschuss war immer noch zu heftig, als dass die Sanitäter hätten kommen können, um die Verwundeten zu holen.
    Eine der Vorschriften bei der Armee lautete, dass kein Soldat aus einem Angriff ausbrechen durfte, um einen anderen zu retten; ihreAufgabe war es, die deutsche Frontlinie zu stürmen. Jimmy konnte jetzt nicht mehr ertrinken, doch er könnte von einer weiteren Granate getroffen werden.
    Etienne war hin- und hergerissen. Als Sergeant war es seine Pflicht, seine Leute zu finden und anzuführen, aber der Gedanke an Belles Leid war zu stark. Er konnte Jimmy nicht seinem Schicksal überlassen. Er sah ihre tränenfeuchten Augen vor sich und wusste, dass er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, ihren Mann hier sterben zu lassen, auch wenn damit der Weg zu Belle für ihn selbst frei würde.
    Nachdem Etienne sich verzweifelt nach einem Sanitäter umgesehen hatte, jedoch keinen entdecken konnte, kniete er sich neben Jimmy und wischte ihm den ärgsten Dreck aus dem Gesicht. »Ich bin hier, Jimmy«, sagte er. »Sie sind schwer verwundet, doch ich denke, ich kann Sie hinter unsere Linien

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