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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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zurücktragen.«
    Jimmy blickte zu ihm auf, die braunen Augen voller Qual. »Sie können mir nicht helfen«, brachte er mühsam heraus. »Sie bekommen bloß Ärger, und ich bin sowieso erledigt.«
    »Überlassen Sie es mir, das zu beurteilen!«, sagte Etienne. »Es wird höllisch wehtun, wenn ich Sie trage, aber ich kann Sie nicht hierlassen.«
    Etienne schnallte seinen Tornister ab und zog Jimmy hoch, bis er auf seinem gesunden Bein stand. Da er drauf und dran war, das Bewusstsein zu verlieren, drückte Etienne seinen Arm in Jimmys Bauch und hievte ihn auf seine Schultern. Er schaffte es, im Aufstehen sein Gewehr zu nehmen, und ging zurück zu den Linien der Alliierten.
    Es war schwer genug gewesen, sich allein so weit ins Niemandsland durchzuschlagen, doch sich mit dem Gewicht des leblosen Jimmy auf dem Buckel durch den schweren Schlamm zu kämpfen und dabei den Granaten auszuweichen, die rings um ihn explodierten, war nahezu unmöglich. Aber Etienne schleppte sich weiter, obwohl ihm jeder Muskel, jede Sehne wehtat. Als er einmal fast in einen überfluteten Granattrichter gestolpert wäre, zweifelte er an seinem Verstand.
    Ein paar Hundert Meter von der Frontlinie entfernt tauchten französische Sanitäter mit einer Trage auf.
    »Alles wird gut, Jimmy«, sagte Etienne, als sie näher kamen. »Ich verlasse Sie jetzt. Ich muss zu meinen Männern zurück.«
    Die Sanitäter hoben Jimmy von seinen Schultern und legten ihn auf die Trage.
    »Prenez bien soin de lui! Son nom est James Reilly« , sagte er zu ihnen.
    Als die Sanitäter die Linie erreichten und andere Männer kamen, um ihnen zu helfen, drehten sie sich noch einmal zu dem Mann um, der den Engländer gerettet hatte. Sie wussten, dass auch er verwundet war, weil sein Uniformhemd zerrissen war und frisches Blut über seine Hand lief. Doch er rannte in vollem Tempo auf die deutschen Linien zu, sprang über Trichter und jagte an Hindernissen vorbei. Verwundert schüttelten sie die Köpfe. »Il doit être fou«, sagte einer von ihnen.
    »Wie war der Name des Mannes, der mich hierhergebracht hat?«, fragte Jimmy später, nachdem er Morphium gegen die Schmerzen bekommen hatte. Er hatte nur bruchstückhafte Erinnerungen an das, was geschehen war. Aber er wusste, dass er das Gesicht des Mannes kannte und dass der andere ihn Jimmy genannt hatte.
    »Je suis française« , sagte die Krankenschwester und zuckte mit den Schultern, als wäre das Thema damit beendet.
    »Er war Franzose«, beharrte Jimmy. Der Mann hatte zwar Englisch mit ihm gesprochen, aber er wusste, dass er die blaue französische Uniform getragen hatte. Doch es fiel ihm einfach zu schwer, zu versuchen, sich der Krankenschwester verständlich zu machen, weil er von dem Schmerzmittel immer benommener wurde.
    Später wurde er wieder transportiert. Er hörte, wie jemand Hôpital de Campagne sagte, was nach einem Feldlazarett klang. DieSchmerzen kehrten zurück, als er mit anderen Männern im Rettungswagen über holprige Straßen fuhr. Aber gerade als er fragen wollte, wie schwer verletzt er war, bekam er eine Spritze und schlief bald darauf ein.
    Es war heller Tag, als Jimmy aufwachte, und er lag in einem Gebäude, das wie eine Scheune mit rohen Steinmauern aussah. In dem Licht, das durch zwei kleine Fenster fiel, sah er, dass ungefähr zwanzig weitere Männer hier untergebracht waren.
    Er war durstig und versuchte, sich aufzusetzen, doch zu seinem Entsetzen war sein linker Arm verschwunden. Über der Stelle, wo früher sein Ellbogen gewesen war, war nur ein dick bandagierter Stumpen. Als eine Krankenschwester bemerkte, dass er sich zu bewegen versuchte, kam sie zu ihm und legte einen Finger an ihre Lippen, um ihm zu bedeuten, still zu sein. Sie half ihm, sich aufzusetzen und einen Schluck Wasser zu trinken, und erst als Jimmy zum Bettende schaute, fiel ihm auf, dass sich unter der Decke nur der Umriss eines Beins abzeichnete.
    »Man hat mir mein Bein und meinen Arm abgenommen?«, keuchte er und zeigte dorthin, wo seine Gliedmaßen früher gewesen waren.
    Sie nickte und tätschelte seine verbliebene Hand.
    Er legte sich wieder hin, nachdem er getrunken hatte, schloss die Augen und versuchte, sich einzureden, dass das alles nur ein böser Traum war. Es fühlte sich an, als wären Arm und Bein noch vorhanden; er meinte sogar, Finger und Zehen bewegen zu können. Doch als er seine Hand unter die Bettdecke schob, ertastete er nur sein rechtes Bein. Und sein linker Arm rührte sich nicht.
    Er verbiss sich die

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