Der Zauber eines fruehen Morgens
enttäuscht. Es war so ein schöner Tag gewesen. War es da zu viel verlangt, nun noch ein bisschen zu kuscheln?
Am Silvesterabend ließ sich Jimmy widerstrebend von Garth überreden, zu ihm in die Schankstube zu kommen. Keine Stunde später kam er blass und mitgenommen zurück und setzte sich zu Mog und Belle in die Küche. »Ich hab’s nicht länger ausgehalten«, erzählte er. »Die Hälfte der Leute wollten alle grausigen Details darüber hören, wie ich zu meiner Verwundung gekommen bin, und die übrigen haben alle irgendeinen Bekannten, den es noch schlimmer erwischt hat, und reden über nichts anderes. Noch dazu hockt in der Ecke so ein armer Kerl, der sich die Lunge aus dem Leib hustet. Senfgas. Das ist einfach zu viel für mich.«
Eigentlich hätte Belle froh sein sollen, dass es ihm in der Kneipe nicht behagte. Eine ihrer größten Befürchtungen war gewesen, dass Jimmy vielleicht jeden Abend bis zur Sperrstunde dort sitzen wollte, um sich zu betrinken, und sie ihm später die Treppe hinaufhelfen und sich sein Lallen anhören musste. Aber sie konnte sich nicht darüber freuen. Obwohl seit dem Weihnachtstag alles gut gelaufen war, hatte er sich seither in sich selbst zurückgezogen, redete kaum und zeigte für nichts und niemanden Interesse.
Sie hatte versucht, ihn aus der Reserve zu locken, indem sie über Menschen und Dinge, die ihn früher interessiert hatten, sprach,Mog dazu brachte, all seine Lieblingsgerichte zu kochen und ihn nach seinen Freunden in der Armee zu fragen. Doch die Mauer, die er um sich errichtet hatte, schien von Tag zu Tag höher zu werden.
Der Nebel hatte sich am zweiten Feiertag gelichtet, und dann hatte es angefangen zu schneien. Belle hatte einen Spaziergang auf der Heide unternommen und zugeschaut, wie Kinder Schneeballschlachten veranstalteten, Schlitten fuhren und Schneemänner bauten. Mit frischer Energie war sie heimgekehrt und hatte vorgeschlagen, Jimmy einen Rollstuhl zu kaufen, damit er gelegentlich aus dem Haus kam. Aber er hatte ihren Vorschlag verächtlich abgetan und sie gefragt, wie sie sich eigentlich vorstelle, ihn den Hügel hinaufzubekommen.
Es stimmte, dass man es vom Railway Inn aus in jeder Richtung mit Steigungen aufnehmen musste, doch Belle war stark genug, um einen Rollstuhl zu schieben oder es wenigstens zu versuchen. Hatte er im Ernst vor, dauernd im Haus zu hocken?
In wenigen Stunden würde das Jahr 1918 beginnen, der richtige Zeitpunkt, um ein bisschen optimistisch zu sein und zu hoffen, dass in diesem Jahr alles besser würde. Warum wollte Jimmy das nicht einsehen?
»Ich gehe zu Bett«, sagte er.
»Jetzt schon?«, rief Mog. »Bleib doch auf und warte das neue Jahr ab!«
»Was gibt es da schon zu erwarten?« Er zuckte mit den Schultern. »Hunderte Gläser, die gespült werden müssen, das Außenklo voller Pisse und Kotze und Betrunkene, die dummes Zeug lallen. Ich lege mich lieber hin.«
Belle sank der Mut. Obwohl sie nachfühlen konnte, wie nutzlos er sich fühlen musste, weil er keiner Arbeit nachgehen konnte, lastete seine negative Einstellung zu allem und jedem auf der ganzen Familie.
»Dann geh doch, du Waschlappen!«, sagte sie.
Mog drehte sich zu ihr um, als Jimmy das Zimmer verließ.»Kannst du nicht ein bisschen netter zu ihm sein? Früher warst du nicht so herzlos.«
»Ist es herzlos, wenn ich mir wünsche, dass er mit uns redet? Dass er akzeptiert, was passiert ist, und sich überlegt, womit er sich beschäftigen könnte, statt an all die Dinge zu denken, die er nicht mehr machen kann?«, gab sie zurück. »Zum Beispiel könnte er sich um die Buchhaltung kümmern. Garth plagt sich furchtbar damit.«
»Hast du ihm das vorgeschlagen?«
»Ja, natürlich, doch er hat mir fast den Kopf abgerissen und wollte wissen, wer sich denn mit Garths System auskennen soll.«
»Garth hat kein System«, sagte Mog. »Deshalb plagt er sich so.«
»Jimmy könnte ein System hineinbringen, er ist intelligent, und er hat ein gutes Gespür für Zahlen. Außerdem hat er sich schon vor dem Krieg um die Bücher gekümmert.«
»Du bist immer so ungeduldig«, warf Mog ihr vor. »Er ist erst eine Woche daheim. Kannst du ihn nicht eine Weile in Ruhe lassen, damit er seinen Weg selbst findet?«
Belle hätte Mog gern gesagt, dass sie recht hatte und dass es Jimmys Kälte war, die sie gemein und ungeduldig erscheinen ließ, aber sie brachte es nicht über sich, etwas so Persönliches einzugestehen.
Die nächsten zwei Wochen machte sie Jimmy überhaupt keine
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