Der Zauber eines fruehen Morgens
dunkelte bereits, doch das Licht, das aus der Diele von Nummer vier fiel, war hell genug, dass Belle Mrs. Forbes-Altons Silhouette in der Tür erkennen konnte, und sie konnte sogar hören, wie Mirandas Mutter sich mit ihrer schrillen Stimme von ihren Freundinnen verabschiedete.
Zwei der Frauen stiegen in ein Automobil, das auf sie wartete, während die anderen rasch zu benachbarten Häusern eilten. Als die Eingangstür ins Schloss fiel, marschierte Belle zielstrebig hin und drückte auf die Klingel.
Sie hatte sich große Mühe gegeben, elegant, aber auch herausfordernd auszusehen. Es war wichtig, dass sie den Eindruck vermittelte, skrupellos und hart zu sein. Der hinreißende scharlachrote Pillbox-Hut schmeichelte ihren dunklen Locken, und sie trug einen Mantel, den Jimmy ihr kurz nach ihrer Heirat geschenkt hatte: marineblau, im modischen Kosakenstil eng tailliert und doppelt geknöpft und an Saum, Kragen und Manschetten mit Pelz besetzt.
Wie Belle gehofft hatte, öffnete Mrs. Forbes-Alton persönlich die Tür, vermutlich in der Annahme, eine ihrer Freundinnen habe etwas vergessen. Als sie sah, wer vor ihr stand, verblasste ihr Lächeln.
Belle stellte einen ihrer in zierlichen Stiefeln steckenden Füße auf die Schwelle, um zu verhindern, dass ihr die Tür vor der Nase zugeknallt wurde. »Ganz recht, ich bin es. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir miteinander reden«, sagte sie.
»Ich habe mit Ihnen nichts zu bereden«, dröhnte Mrs. Forbes-Alton. »Entfernen Sie sich von meinem Haus!«
Sie war größer, als Belle sie in Erinnerung hatte, und kräftig gebaut. Ihr graues Haar war kunstvoll gelockt und aufgesteckt, was ihr Doppelkinn äußerst unvorteilhaft betonte. Sie trug ein violettes Nachmittagskleid mit Spitzenrüschen, dessen Farbe ihren Teint gelbstichig aussehen ließ.
»Sie sollen auch nicht reden, sondern zuhören«, erwiderte Bellemit leicht drohendem Unterton. »Wenn Sie das nicht wollen, gehe ich direkt zu Ihrem guten Freund Mr. Blessard und rede mit ihm. Das wird Ihnen gar nicht gefallen.«
»Wie können Sie es wagen, hierherzukommen und mir zu drohen?« Mrs. Forbes-Alton riss vor Entrüstung über Belles Unverfrorenheit ihre kleinen blauen Augen auf.
»Ich habe Ihnen ganz und gar nicht gedroht«, entgegnete Belle von oben herab. »Ich habe nur gesagt, dass es besser für Sie wäre, mich anzuhören. Das kann man kaum als Drohung auffassen. Was ist, wollen Sie mich hereinbitten, oder muss ich hier in der Tür stehen und schreien?«
Belle hatte befürchtet, nervös zu sein. Ihre größte Sorge war gewesen, dass sie in letzter Minute der Mut verließ, ihr Ultimatum zu stellen. Aber als sie jetzt vor der Frau stand, die Miranda so unglücklich gemacht hatte, konnte Belle sehen, dass sie nur eine Despotin war und wie die meisten Despoten fürchtete, jemand könnte stärker als sie sein.
Das Gesicht der Frau verriet, was ihr durch den Kopf ging. Sie wollte keine Szene vor ihrer Haustür, die jemand belauschen könnte, und hoffte, dass Belle sich von der Pracht ihres Hauses einschüchtern lassen würde.
»Es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, mich mit jemandem auf der Türschwelle zu unterhalten, es sei denn mit Händlern«, sagte sie, zog die Tür auf, drehte sich um und rauschte durch die Diele.
Belle lächelte in sich hinein. Die Frau glaubte, sie zu verunsichern, doch Belle schloss einfach die Tür hinter sich und folgte Mrs. Forbes-Alton in den Salon, wo man zwei Kartentische aufgestellt hatte, auf denen immer noch die Spielkarten lagen. Belle vermutete, dass das Dienstmädchen schon Feierabend hatte und nach Hause gegangen war, sonst wäre hier bereits aufgeräumt worden.
Sie ging an den zwei Tischen vorbei zum Kamin und setzte sich unaufgefordert in einen Ohrensessel. »Hübsches Zimmer«, bemerkte sie und sah sich interessiert um. Tatsächlich war derEinrichtungsstil typisch viktorianisch, mit zu vielen schweren Möbelstücken, düsteren Gemälden und unzähligen hässlichen Nippsachen. »Natürlich hat Miranda es mir so oft detailliert geschildert, dass ich das Gefühl habe, es schon zu kennen.«
»Sie sind reichlich impertinent, junge Frau. Bedenken Sie gefälligst Ihren Stand!«, entrüstete sich Mrs. Forbes-Alton, die hinter einem Stuhl stand und Belle mit Blicken durchbohrte.
»Meinen Stand?« Belle lachte. »Was für eine köstlich antiquierte Einstellung, wenn auch nicht die meine.«
»Was wollen Sie?«, fragte Mrs. Forbes-Alton, die jetzt ziemlich nervös wirkte.
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