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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Vorschläge mehr. Sie ignorierte seine langen Schweigephasen und giftigen Bemerkungen und verkniff sich jeden Kommentar, wenn er früh zu Bett ging, obwohl sie wusste, dass dahinter die Absicht steckte, Intimität oder auch nur Gesprächen auszuweichen.
    Das Wetter war ebenfalls nicht auf ihrer Seite. Erst Schnee, der sich schnell in schwarzgrauen Matsch verwandelte, dann wieder Nebel, und selbst als der sich hob, war der Himmel bleiern. Es war so kalt, dass sie schon nach einem kurzen Spaziergang das Gefühl hatte, die Haut würde ihr vom Gesicht gezogen. Obwohl es im Haus eine Menge Arbeit gab, schienen die Tage endlos zu sein.
    Seit Silvester war es im Pub sehr ruhig gewesen, und Mog und Garth hatten viel freie Zeit. Belle spürte, dass auch die beiden unterJimmys Launen litten, da sie sich häufig wegen Belanglosigkeiten stritten. Mog klagte ständig über Kopfschmerzen, und Belle fühlte, wie sich in ihnen allen ein Druck aufbaute, der zu noch mehr Kummer und Spannungen führen würde, wenn er erst einmal zum Ausbruch kam.
    Sie hatte das Gefühl, dass sie ihnen allen zuliebe wegen Jimmys Problemen ärztlichen Rat einholen sollte. Deshalb ging sie eines Nachmittags zum Royal Herbert, in der Hoffnung, eine der Schwestern könnte ihr einen Arzt empfehlen, der ihnen möglicherweise helfen konnte.
    Auf ihrer alten Station musste sie jedoch feststellen, dass sie die meisten Schwestern nicht mehr kannte. Die Pflegerinnen waren damit beschäftigt, etliche Neuankömmlinge unterzubringen. Belle hatte die hektische Aktivität bei derartigen Gelegenheiten fast vergessen, und als sie zögernd in der Tür stehen blieb und nach einem vertrauten Gesicht Ausschau hielt, stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass der Großteil der Patienten schwere Verbrennungen hatte. Ihre Gesichter, Schultern und Arme waren wie rohes Fleisch, und in der Luft hing ein Gestank, von dem ihr übel wurde.
    »Sind Sie hier, um einen unserer Patienten zu besuchen?«, fragte eine Krankenschwester, die gerade mit einem Stapel frischer Bettwäsche hereinkam.
    Belle erklärte, dass sie früher im Herbert gearbeitet und gehofft habe, Schwester May zu sehen.
    »Sie dürfte auf einer anderen Station sein«, antwortete die Krankenschwester. »Die hier ist nur noch für Patienten mit Verbrennungen. Vielleicht kann Ihnen einer der Pförtner sagen, wo Sie sie finden.«
    »Warum gibt es so viele Brandwunden?«
    »Flammenwerfer«, erklärte die Schwester. »Die hier hat es in Cambrai erwischt. Arme Teufel! Von all den Waffen, die sie im Krieg einsetzen, ist das die schlimmste, finde ich. Diejenigen, die durchkommen, sind für den Rest ihres Lebens entstellt.«
    Belle dankte der Schwester und wandte sich zum Gehen. Ihr warklar, dass wahrscheinlich auf allen Stationen viel los war und niemand Zeit oder Lust hatte, über einen Mann zu sprechen, dessen Zustand nicht mehr kritisch war. Vielleicht war es am besten, zu Dr. Towle zu gehen und sich von ihm beraten zu lassen.
    Als sie sich mit den Bildern der furchtbaren Verbrennungen im Kopf auf den Heimweg machte, regte sich in ihr wieder der Zorn, den sie in den letzten zwei Wochen mühsam unterdrückt hatte. Sie wünschte, Jimmy könnte diese Männer sehen. Vielleicht würde er dann erkennen, dass nicht einmal der Verlust eines Armes und eines Beines so schlimm war wie diese Verletzungen.
    Aber beim Gehen wurde ihr bewusst, dass Jimmy nicht der einzige Grund für ihren Zorn war; eine ganze Reihe von Problemen und Fragen nagte an ihr, und ihre Bitterkeit konzentrierte sich auf ihn, weil sie täglich mit ihm zusammen war.
    Wie konnte jemand nicht wütend werden über einen Krieg, der Zigtausende junge Männer das Leben kostete und noch viel mehr verstümmelte? Es gab so viele Witwen, deren Kinder vaterlos aufwuchsen. Sie lebten oft in sehr beengten Verhältnissen, weil das Geld nicht reichte, um die Miete zu zahlen und genug zu essen zu kaufen. Der Anblick von Verwundeten, die auf der Straße bettelten, war längst keine Seltenheit mehr. Erst vor ein paar Tagen hatte Belle in der Zeitung gelesen, dass in den ärmeren Vierteln der Großstädte die Kinder genauso schlecht ernährt waren wie zur Zeit Königin Victorias.
    Hinzu kamen Belles ganz persönliche Kümmernisse. Nicht nur die Probleme mit Jimmy, sondern auch der Mangel an Interesse oder Mitgefühl seitens ihrer Mutter und die Ungerechtigkeit, dass Mog wegen Blessards Artikel in diesem Revolverblatt im Ort geächtet wurde. Dann waren da noch ihre Trauer über Mirandas

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