Der Zauber eines fruehen Morgens
Privateinkommen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er war gut gekleidet und hat gesagt, dass er in Westminster lebt.«
»Wo sind Sie mit ihm hingegangen?«
»Meistens waren wir spazieren, vor allem in Greenwich, weil ich nicht riskieren wollte, in Blackheath mit ihm gesehen zu werden. Manchmal sind wir den Fluss hinaufgefahren und irgendwo essen gegangen. Ich konnte mich nur einmal in der Woche mit ihm treffen, sonst wäre es aufgefallen.«
»Ich meine, wo hat er Sie verführt?«, fragte Belle.
Miranda wurde rot. »In einem Zimmer in Greenwich.«
Belle schüttelte den Kopf. »Ist Ihnen das nicht seltsam vorgekommen? Er hatte Ihnen doch erzählt, dass er in Westminster wohnt.«
»Er sagte, seine Dienstboten könnten reden«, erwiderte sie. »Ich war so verliebt, dass ich mit ihm überall hingegangen wäre.«
»Und wann hat er Ihnen gestanden, dass er verheiratet ist?«
»Als ich ihm eröffnet habe, vielleicht schwanger zu sein.« Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich war überzeugt, er würde mich trösten und möglichst bald heiraten. Aber er sah mich nicht mal an. Wir waren in einer Teestube, und er schaute einfach ausdem Fenster und meinte: ›Dann hast du ein Problem.‹ Er sagte nicht einmal: › Wir haben ein Problem‹! Als wir die Teestube verließen, warf er mir vor, doch die ganze Zeit gewusst zu haben, dass er verheiratet ist.«
»Wie abgefeimt, es so darzustellen, als wäre es Ihre Schuld!«, rief Belle. »So ein Schuft!«
Miranda seufzte und verzog das Gesicht, als wieder eine Wehe kam. »Wir haben unsere nächsten Treffen immer im Voraus vereinbart. Und als er sagte, dass wir uns in der kommenden Woche zur üblichen Zeit im Greenwich Park im Rosengarten treffen würden, hoffte ich, er würde sich in der Zwischenzeit etwas überlegen und eine Lösung finden. Beim Naval College in Greenwich küsste er mich zum Abschied genauso zärtlich wie immer. Aber das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.«
»Und Sie hatten vermutlich keine Möglichkeit, Kontakt zu ihm aufzunehmen?«
Miranda schüttelte den Kopf. »Ich hatte keine Adresse von ihm, nur ein paar Anekdoten über Leute, die wahrscheinlich reine Erfindung gewesen waren. Als ich in die Teestube in Greenwich ging, in der wir so oft waren, und das Mädchen hinter der Theke fragte, ob sie ihn gesehen habe, sagte sie: ›Er war immer nur mit Ihnen hier.‹ Was hätte ich sonst noch unternehmen können? Ich war schon bei dem Haus gewesen, wo wir ein paar Mal gewesen waren und das angeblich einem Freund von ihm gehörte. Doch als ich dort jemanden ansprach, wurde mir klar, dass es eine Pension ist, in der man stundenweise Zimmer mieten kann.«
Belle nahm Mirandas Hand und drückte sie. Die Erkenntnis, wie eine Hure behandelt worden zu sein, ohne bezahlt zu werden, musste furchtbar demütigend gewesen sein.
»Wenn diese Nacht überstanden ist, müssen Sie das alles hinter sich lassen«, sagte sie sanft. »Wir haben fast alle in unserer Vergangenheit Dinge getan, für die wir uns schämen. Aber alles, was Sie sich vorzuwerfen haben, ist, dass Sie zu leichtgläubig waren. Dieser Mann, der vorgegeben hat, Sie zu lieben, ist der Schuldige.«
»Das ist das Schlimmste daran«, erwiderte Miranda. »Ich habe ihn wirklich geliebt und alles riskiert, um mit ihm zusammen zu sein. Wie kann jemand so etwas einem anderen Menschen antun?«
»Ich glaube, manche Leute kommen einfach schon böse zur Welt«, antwortete Belle. »Ich würde sagen, dass er ein gewohnheitsmäßiger Schürzenjäger ist, doch wenigstens hat er nicht versucht, Ihnen Geld abzuknöpfen.«
Miranda machte ein beschämtes Gesicht. »Ich habe ihm fünfzig Pfund gegeben«, gestand sie. »Zwei Wochen, bevor ich ihm gesagt habe, dass ich vielleicht ein Baby bekomme. Er hatte mir von einem Stück Land außerhalb Londons erzählt, idealer Baugrund, meinte er. Er hat mir sogar Skizzen von kleinen Häusern gezeigt, genau richtig für junge Ehepaare, die sich ein preiswertes Haus auf dem Land wünschen und zur Arbeit in die Stadt fahren können.«
Belle ahnte, was folgen würde. »Er hat vermutlich behauptet, dass sein Geld fest angelegt ist und er Bargeld braucht, um sich das Land zu sichern?«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Miranda überrascht.
»Instinkt«, erklärte Belle. »Und Sie haben Ihre Ersparnisse geopfert?«
»Er wollte hundert Pfund, doch so viel hatte ich nicht«, sagte sie. »Er versprach mir, das Geld sofort zurückzuzahlen, wenn er ein paar Aktien verkauft
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