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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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nachzumachen. Die Gelegenheit, aus seinen verdreckten Sachen zu kommen und sich gründlich zu waschen, sollte er sich nicht entgehen lassen.
    Als Etienne im Oktober 1914 als frischgebackener Rekrut hierhergekommen war, hatte man Verdun für uneinnehmbar gehalten, weil es auf beiden Ufern der Maas von Hügeln umgeben und von einem Ring von Festungsanlagen geschützt war, deren größte und stärkste Fort Douaumont war. Und das schien sich bis Neujahr 1916 zu bewahrheiten, da sie trotz des schweren Bombardements des Feindes die Stellung hielten. Fort Douaumont hätte standhaltenkönnen und sollen, aber General Joffre traf die kluge Entscheidung, die meisten Geschütze entfernen und an andere Frontabschnitte transportieren zu lassen.
    Etienne erschauerte immer noch, wenn er an den einundzwanzigsten Februar dachte, als die Deutschen bei Tagesanbruch erneut angriffen, diesmal mit unvorstellbarer Härte. Es sprach sich herum, dass sie schon seit längerer Zeit heimlich Männer und schwere Geschütze hatten kommen lassen. Ihre Aufklärer hatten sämtliche englischen oder französischen Flugzeuge abgefangen, deren Piloten über diese ungewöhnlichen Aktivitäten hätten berichten können.
    Überall an den dreizehn Kilometern Frontlinie regnete es Sperrfeuer auf die Franzosen, wurden Bäume aus der Erde gerissen und sie in die Luft katapultiert und Tausende Soldaten verwundet oder getötet. Die deutschen Kanonen zerstörten die französischen Kommunikationslinien und blockierten erfolgreich den Nachschub.
    Etienne war einer von Oberstleutnant Driants Jägern, und unter seinem Kommando leisteten sie erbitterten Widerstand, aber vergeblich. Der wackere Driant kam an einem Nachmittag bei dem Versuch ums Leben, sich mit den Überlebenden seines Bataillons nach Beaumont zurückzuziehen. Ein großer Abschnitt der Frontlinie war durchbrochen worden, und die Verluste auf französischer Seite waren unvorstellbar, doch Etienne hatte das Gefühl, dass es ihnen wenigstens gelungen war, dem Feind eine blutige Nase zu verpassen, weil auch die Deutschen hohe Verluste zu verzeichnen hatten, insbesondere unter ihren von ihnen so sehr geschätzten Sturmtruppen.
    Am vierundzwanzigsten Februar fiel Samongneux in die Hände der Deutschen. Die Einundfünfzigste und die Zweiundsiebzigste Division verloren zwei Drittel ihrer Männer und wurden praktisch aufgerieben. Beaumont fiel als Nächstes, und die marokkanischen Infanteristen und die algerischen Zuaven, die erst vor Kurzem eingetroffen waren, waren nichts als Kanonenfutter in einer Schlacht ohne Vorbereitungen gegen die bittere Kälte oder das unablässigeBombardement der Deutschen, und bald fiel auch Fort Douaumont.
    Jedem war klar, welchen Schock der Fall von Fort Douaumont in ganz Frankreich auslösen würde, nicht nur weil es ein Symbol für den Nationalstolz war, sondern weil damit für die Deutschen der Weg nach Verdun frei war.
    Aber die Stadt aufgeben, die Frankreich so viel bedeutete, war undenkbar, und es war General Pétain, der es verhinderte. Vielleicht hätte sich dieser eigensinnige Mann für einen geordneten Rückzug entschieden, wenn es ihm möglich gewesen wäre, doch da er wusste, dass er keine Wahl hatte, setzte er auf Verteidigung. Pétain besaß zweierlei, was für einen General von unschätzbarem Wert war: echte Kenntnisse in modernen Waffensystemen sowie den Respekt und das Vertrauen der Frontsoldaten.
    Etienne erinnerte sich, wie allein sein Erscheinen in Verdun sofort das Selbstvertrauen und die Moral aller gestärkt hatte. Pétain zahlte es den Deutschen mit gleicher Münze heim, indem er seiner Artillerie Befehl gab, dem Feind maximale Verluste zuzufügen. Da die Bahnverbindungen nach Verdun bereits unterbrochen waren, sorgte er dafür, dass der Nachschub auf einer schmalen Straße transportiert wurde, mittlerweile als Voie Sacrée, Heiliger Weg, bekannt. Auf dieser Straße brachte ein stetiger Strom von Fahrzeugen täglich Verstärkung, Munition und Vorräte nach Verdun.
    Aber den Deutschen schien, noch bevor Pétain in Erscheinung trat, die Luft auszugehen. Wie viele andere genoss es auch Etienne, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich abmühten, ihre schweren Geschütze über die Bombentrichter zu schleppen.
    Die Kampfhandlungen hielten an. Auf beiden Seiten gab es keine Pausen des verheerenden Sperrfeuers. Jeder feindlichen Offensive folgte eine französische Gegenoffensive, und Ende März hieß es, dass die Zahl der Toten bei den Deutschen fast genauso hoch war wie

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