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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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blicken lassen, rufe ich die Polizei.«
    Aber als er weg war, musste sie ins Hinterzimmer gehen und sich einen Moment hinsetzen, so erschüttert war sie.
    Während der Gerichtsverhandlung gegen Kent war zur Sprache gekommen, dass sie nach Paris verschleppt und an ein Bordell verkauft worden war. Belle war allerdings überzeugt, dass Blessard nicht darauf anspielte, sondern auf die Zeit zwei Jahre später, als sie nach Paris zurückgekehrt war und dort als Prostituierte gearbeitet hatte. Ihr war ein Rätsel, wie er das herausgefunden hatte, nachdem es ihren Freunden in Paris gelungen war, diese Tatsache sogar vor der Polizei zu verbergen. Doch sie wusste von Noah, dass ein Reporter, der einer wirklich großen Sache auf der Spur war, immer weiter nachbohren würde, bis er gefunden hatte, was er suchte.
    Seit jenem Tag war Blessard nicht wieder aufgetaucht, aber Belle hatte immer darauf geachtet, nicht allein im Laden zu sein. Garth hatte gedroht, dem Mann den Hals umzudrehen, wenn er sich im Railway Inn blicken ließ. Doch Mirandas Bemerkung, Blessard könnte wegen ihrer Vergangenheit scharf auf Belle sein, ließ ihr keine Ruhe. Sie wusste, was es bedeutete, wenn ein Mann wie besessen von einer Frau war. Aber wie Miranda richtig bemerkt hatte, konnte sie ihm jetzt einfach auf dem Rad davonfahren, falls er ihr irgendwo auflauerte.

KAPITEL 11
    1916
    Etienne lehnte sich an einen Baumstamm, zündete sich eine Zigarette an, schloss die Augen und ließ sich die warme Maisonne ins Gesicht scheinen. Es tat unglaublich gut, ein paar Tage von der Front in Verdun wegzukommen, schlafen und essen zu können und nicht nur seine zerrissene Uniform, sondern auch seine angegriffenen Nerven ein bisschen in Ordnung zu bringen. Der Gestank der Leichen, die im Niemandsland lagen, war jetzt, da es wärmer wurde, nahezu unerträglich, die Männer litten an Durchfall, der Nachschub an Trinkwasser verzögerte sich, und manchmal hatten sie während der unablässigen Offensiven nicht einmal Zeit, ihre Essensrationen zu verzehren.
    Im Moment hätte er sich gern vorgestellt, er wäre daheim auf seinem kleinen Hof in der Nähe von Marseille, aber das ständige Artilleriefeuer im Hintergrund machte es unmöglich.
    Als er zum ersten Mal in seinem Leben nach Verdun gekommen war, war er zwanzig gewesen, die mittelalterliche Stadt mit ihren engen, gewundenen Gassen ein kleines Juwel, das ihn verzaubert hatte. Er stand lange auf dem alten Stadtwall und betrachtete die glitzernde Maas, die sich weit unter ihm durch saftige grüne Wiesen und Wälder schlängelte. Als er auf den umliegenden Hügeln den Ring von Festungsanlagen entdeckte, zwanzig kleine und vier große, fiel ihm wieder ein, was er als Schuljunge im Geschichtsunterricht gelernt hatte. Die Stadt war 1870/71 im Krieg gegen Preußen als letzte gefallen und hatte zehn lange Wochen standgehalten, bevor sie kapitulierte.
    Wegen ihrer Geschichte und der Tapferkeit ihrer Bewohner, die so hart dafür gekämpft hatten, sie in französischer Hand zu behalten, nahm die Stadt im Herzen eines jeden Franzosen einen besonderen Platz ein. Genau aus diesem Grund wollten die Deutschen sie natürlich einnehmen. Sie wussten, dass die französischen Generäle jeden Mann, den sie entbehren konnten, zur Verteidigung Verduns einsetzen würden, und dann konnten sie mit ihrer überwältigenden Armee und ihrem Waffenarsenal Frankreich ausbluten und dem Land somit Großbritanniens »Bestes Schwert« aus der Hand schlagen.
    Die grünen Wiesen, an die er sich erinnerte, waren jetzt eine öde Wüstenei, der Boden mit Bombentrichtern durchsetzt, die Bäume entwurzelt oder gefällt. Kein Vogelgesang war mehr zu hören. Ob der Grund dafür der Mangel an Bäumen, das Donnern der Kanonen oder die vom Blut gefallener Soldaten durchtränkte Erde war, wusste er nicht. Aber wenn er ein Vogel gewesen wäre, hätte er auch nicht an einem so elenden Ort bleiben mögen.
    In der Nähe hielten sich andere französische Soldaten auf, die genau wie er ein paar Tage Erholung von der Front genossen. Hinter ihm besorgten sich in der Ortschaft, die einmal ein kleines Dorf gewesen war, weitere Männer in einem Estaminet , einem schlichten Café mit derben Holztischen und -bänken, etwas zu essen und zu trinken.
    Irgendwo in der Nähe wurde johlendes Gelächter laut, dazu das Plätschern von Wasser. Ob es ein Teich, ein Bach oder lediglich ein Bombentrichter voll Regenwasser war, wusste Etienne nicht, doch er dachte daran, es den anderen

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