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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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bei ihnen. Aber achtundachtzigtausend gefallene Franzosen waren ein zu hoher Preis.
    Jetzt, im Mai, sah es schlimmer denn je aus, denn General Pétainwar versetzt worden, und General Nivelle hatte mit General Mangin als Divisionskommandeur den Oberbefehl erhalten. Mangin war angeblich ein Offizier der alten Schule: Angriff ohne Rücksicht auf Verluste. Schon nannte man ihn »Den Schlächter« oder »Menschenfresser«, und Etienne plagten düsterste Vorahnungen.
    Er hatte jeden der Freunde verloren, die er beim Eintritt in die Armee gefunden hatte. Neue Soldaten hatten ihre Plätze eingenommen und waren Freunde geworden, doch auch von ihnen waren die meisten inzwischen tot. Jetzt scheute er davor zurück, etwas Privates über die Männer zu erfahren, an deren Seite er kämpfte. Wenn es ruhiger zuging, hatte er nichts dagegen, mit ihnen Karten zu spielen und zu trinken und zu scherzen, doch ihr Tod würde ihn wesentlich härter treffen, wenn er etwas über ihre Frauen und Kinder, ihre Überzeugungen und Träume wusste.
    Ihm war klar, dass jeder Tag an der Front sein letzter sein konnte, und er betete nur darum, dass er sofort tot war, wenn es ihn erwischte. Er könnte nicht den Rest seines Lebens mit den furchtbaren Verletzungen leben, die andere Männer erlitten hatten.
    Manchmal fragte er sich, warum sein Glück schon so lange anhielt. Lag es daran, dass er sich bereits in seiner Jugend Überlebensstrategien angeeignet hatte? Oder weil er schnell, entschlossen und furchtlos war, wie Capitaine Beaudin gesagt hatte, als er ihn im Januar zum Korporal befördert hatte? Außerdem hatte er gesagt, dass Etienne ein guter Soldat, ein geborener Anführer und ein Gewinn für das Regiment sei. Etienne hatte in sich hineingelächelt und sich gefragt, ob der Capitaine eine so hohe Meinung von ihm hätte, wenn er wüsste, wie er früher gelebt hatte.
    Etienne wurde von lauten Stimmen aus seinen Überlegungen gerissen und stand auf, um einen Blick auf das kleine Dorfcafé und die Straße davor zu werfen. Inmitten einer Schar französischer Soldaten konnte er einen Laster und vier Männer in englischen Khaki-Uniformen erkennen. Selbst aus einer Entfernung von fünfhundert Metern erriet er an dem Verhalten der Engländer, dass die Situation brenzlig war und leicht in eine Prügelei ausarten konnte.
    Hierher kamen kaum englische Soldaten, weil sie damit beschäftigt waren, die Front bei Ypern zu verteidigen. Etienne nahm an, dass sie nach dem Weg fragten, doch da die französischen Soldaten wahrscheinlich betrunken waren und kaum einer von ihnen Englisch konnte, fingen sie an, sich über die Engländer lustig zu machen.
    Etienne, der nicht wollte, dass es zu einer Schlägerei mit Blutvergießen kam, fühlte sich verpflichtet einzugreifen.
    Als er näher kam und hören konnte, was geredet wurde, stellte er fest, dass er die Situation richtig eingeschätzt hatte. Die Tommys erkundigten sich nach dem Weg zum französischen Hauptquartier, und das hatten die Franzosen offensichtlich auch begriffen, doch weil sie betrunken waren, machten sie sich einen Spaß daraus, im Weg zu stehen und unverschämte Bemerkungen von sich zu geben.
    Etienne war noch ungefähr hundert Meter von dem Café entfernt, als einer der Tommys auf den Franzosen zuging, der die größte Klappe hatte, und ihn an den Schultern packte. Es war nicht zu übersehen, dass er ihm eine verpassen wollte.
    »Lass das, der Idiot ist total betrunken!«, rief Etienne. »Ich kann euch helfen.«
    Der Engländer drehte sich überrascht um. Jetzt wandte sich Etienne an die französischen Soldaten und sagte, sie sollten sich schämen, weil sie ihren Alliierten nicht halfen, woraufhin alle in das Café zurücktrotteten.
    »Darf ich euch auf eine Runde einladen?«, fragte Etienne die englischen Soldaten. »Ich möchte mich für das schlechte Benehmen meiner Kameraden entschuldigen. Ich kann euch den Weg beschreiben und eine Skizze anfertigen.«
    Die vier Männer sahen einander an, dann dankte ihm der kleine, dunkelhaarige Korporal und sagte: »Sehr gern.«
    Da niemand scharf darauf war, zu den Männern, die sie angestänkert hatten, ins Lokal zu gehen, kaufte Etienne eine Flasche Wein und hockte sich mit den anderen auf den Boden.
    »Bier gibt es hier leider nicht«, sagte er, während er Gläser verteilte. »Und der Wein ist auch nicht besonders.«
    Er fragte sie, woher sie kamen, und erklärte ihnen in groben Zügen, wo sich das französische Hauptquartier befand.
    Die Männer sprachen

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