Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
Vom Netzwerk:
den untersetzten, drahtigen Korporal mit »Korp« an. Ein hellhaariger Bursche, der nicht älter als neunzehn sein konnte, wurde aus Gründen, über die Etienne nur Vermutungen anstellen konnte, »Donkey«, also Esel, genannt, und der große Bursche, der sich den französischen Soldaten hatte vorknöpfen wollen, trug den Spitznamen »Bin«. Der vierte hieß offenbar wegen seiner roten Haare bei den anderen »Red« und erzählte ihm lachend, dass Bin zu seinem Namen gekommen war, weil er ständig sagte: »Bin auch schon da gewesen.«
    Während Etienne eine Skizze ihrer Route anfertigte, fragten sie ihn nach Verdun und wie lange er schon an der Front war. Er erzählte ihnen einiges von den Gräueln hier. Auch sie konnten von Ypern Furchtbares berichten, meinten jedoch, dass es sich in letzter Zeit ein wenig beruhigt habe und sie jetzt meistens damit beschäftigt seien, den Zustand der Schützengräben zu verbessern.
    »Du sprichst verdammt gut Englisch«, bemerkte Red. »Hast du mal in England gelebt?«
    »Ungefähr zwei Jahre lang«, antwortete Etienne. »In London. Du kommst auch von dort, oder? Ich erkenne den Akzent.«
    »Ich dachte, wir Tommys klingen für euch Franzmänner alle gleich?«
    »Nicht, wenn man ein Ohr dafür hat. Wenn ihr eine Weile in Frankreich leben würdet, könntet ihr auch den Unterschied zwischen jemandem aus Paris und jemandem aus dem Süden erkennen«, sagte er und sah den Londoner forschend an. Er kam ihm irgendwie bekannt vor, obwohl er nicht wusste, warum. Etienne hatte noch nie mit einem rothaarigen Engländer gesprochen, weder hier noch sonst wo.
    »Wie haltet ihr euch?«, wollte der Korporal wissen. »Wir haben gehört, dass es ein Blutbad war, mit über achtzigtausend Toten.«
    »So sagt man, vielleicht waren es sogar mehr.« Etienne seufzte. »Aber die Boches haben fast genauso viele Männer verloren. Was wollt ihr eigentlich im französischen Hauptquartier?«
    Ihm fiel auf, dass die vier Männer Blicke wechselten.
    »Ihr müsst es mir nicht erzählen, nur weil ich euch eine Flasche Wein spendiere«, sagte er. »Ich war bloß neugierig.«
    »Wir holen ein paar von unseren Männern ab«, erklärte Red. »Es steht nicht fest, ob sie Deserteure sind oder sich einfach nur verlaufen haben. Eure Leute haben sie aufgegriffen.«
    »Aber ihr seid nicht von der Militärpolizei, oder?« Etienne verabscheute die Militärpolizei, und wenn er gewusst hätte, dass die vier Männer zu dieser Einheit gehörten, hätte er sich nicht die Mühe gemacht, ihnen zu helfen.
    »Nein, verdammt! Das ist keine offizielle Aktion. Unser Captain ist in Ordnung, und die beiden, die vermisst wurden, sind alte Hasen und gute Soldaten. Wir dachten alle, sie wären hopsgegangen, als sie nicht wieder auftauchten; in der Nacht gab es so viele Verluste und einige blieben einfach im Schlamm liegen. Doch als der Captain die Nachricht erhielt, dass man die zwei aufgegabelt hat, fiel ihm ein, dass in der fraglichen Nacht dichter Nebel war. In so einer Suppe kann man leicht jeden Orientierungssinn verlieren. Deshalb war er der Meinung, dass er sie selbst befragen sollte. Wenn er die Militärpolizei geschickt hätte, wär’s mit den beiden aus gewesen.«
    Etienne zog eine Augenbraue hoch. Er hatte noch nie gehört, dass ein Offizier, ob Franzose oder Engländer, begründete Zweifel gelten ließ, wenn es um Desertion ging. Man hatte ihm erzählt, dass auf französische Soldaten geschossen worden war, als sie in Ypern wegliefen, obwohl sie nicht desertieren, sondern vor dem Giftgas flüchten wollten. »Dann haben die beiden großes Glück gehabt«, meinte er.
    »Ich finde sowieso nicht, dass Deserteure erschossen werden sollten, ob sie nun abhauen oder sich nur verlaufen haben«, sagte der Rothaarige hitzig. »Es ist eine Verschwendung von Leben. Wenn sieAngsthasen sind, sollte man sie als Etappenschweine einsetzen. Die werden genauso gebraucht wie Männer für die Schützengräben.«
    »Unser kleiner Rotschopf Reilly würde noch für die Rechte eines Schweins eintreten, wenn es ihm gerade in die Eier beißen will«, bemerkte der Korporal mit einem trockenen Lächeln. »Zum Glück wissen wir, dass er kein Angsthase ist.«
    Bei dem Namen Reilly zuckte Etienne zusammen. Alle vier Tommys lachten, doch er starrte Red erstaunt an.
    Es konnte doch unmöglich Jimmy sein, nur weil er Londoner war, Reilly hieß und rote Haare hatte. Das wäre ein zu absurder Zufall. Außerdem war Belles Jimmy Gastwirt und hätte sich erst gemeldet, wenn

Weitere Kostenlose Bücher