Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
Vom Netzwerk:
verlässlich, gewissenhaft und ausdauernd erwiesen. Wenn Sie nicht verheiratet wären, würde ich Ihnen eine Ausbildung zur Krankenschwester nahelegen. Ich verliere Ihre Hilfe hier nur ungern, doch je eher Verwundete in ein Lazarett gebracht werden können, desto besser sind ihre Überlebenschancen, das weiß ich. Ich werde dem Roten Kreuz mitteilen, dass Sie meiner Überzeugung nach über die erforderliche Findigkeit und Courage verfügen und hier genug Erfahrungen gesammelt haben, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein.«
    Belle war aufgeregt, aber auch nervös. Miranda und sie redeten schon lange davon, nach Frankreich zu gehen, doch nun, da ihr Wunsch wahr werden sollte, befielen beide Zweifel an ihren Fähigkeiten. Es war eine Sache, unter dem wachsamen Blick einer Krankenschwester Verbände zu wechseln, eine ganz andere hingegen, in Eigenverantwortung schwer verwundete Männer in ein Lazarett zu bringen. Beide hatten Angst, sie könnten sich verfahren, der Wagen könnte zusammenbrechen und sie würden in einem Notfall womöglich die Nerven verlieren.
    Aber als Belle ihr Fahrrad nun nach Hause schob, dachte sie nicht daran, was ihr in Frankreich alles zustoßen könnte; ihre Gedanken waren bei Jimmy. Er hatte Glück gehabt, mit einer relativ leichten Wunde davonzukommen, während so viele aus seinem Regiment an jenem ersten Tag an der Somme gefallen waren. Sie würde nie vergessen, wie sehr er sich über das, was er das »Abschlachten« nannte, empört hatte. Und obwohl er behauptete, dass seine Verwundung geringfügig und er selbst völlig in Ordnung wäre, hatte sie in der Zeit, die er daheim verbracht hatte, manchmal den gleichen gehetzten Ausdruck in seinen Augen gesehen wie bei vielen ihrer Patienten im Krankenhaus.
    Am letzten Tag vor seiner Rückkehr nach Frankreich war er plötzlich damit herausgeplatzt, wie die Deutschen in Ypern Flammenwerfer eingesetzt hatten. Er schilderte, wie auf einmal an den Gräben rechts von ihm eine Flammenwand in den Nachthimmel aufgelodert war, wie die Männer geschrien hatten, als sie versucht hatten, aus den Gräben zu klettern, um dem Inferno zu entkommen, wie es nach verbranntem Fleisch gerochen hatte. Das Feuer erreichte ihn nicht, aber in jener Nacht starben an die fünfzig Männer, die er gut kannte, und viele andere, die überlebten, würden den Rest ihres Lebens Schmerzen behalten und furchtbar entstellt bleiben.
    Jimmy gehörte zu den Männern, die Befehl hatten, die Leichen zu bergen. Er sagte, dass einige von ihnen immer noch wie Krebse an der Wand des Schützengrabens klebten, von den Flammen getroffen, als sie versucht hatten herauszuklettern. Andere waren auf die Leichen anderer Männer gefallen, und alle waren schwarz und verkohlt, ihre Uniformen zu Asche verbrannt. Er hatte sich bei dem Anblick übergeben und noch ein paar Tage danach keinen Bissen heruntergebracht.
    Gleich darauf entschuldigte er sich, weil er Belle mit diesen Bildern des Grauens belastete. Sie sagte ihm, es sei besser, darüber zu reden, als es mit sich herumzuschleppen, doch ihr war klar, wie sehr es ihn quälte, dass er es nicht für sich behalten hatte. Vielleicht warer der Meinung, dass echte Männer mit derartigen Erinnerungen allein fertigwerden sollten.
    Seit er wieder in Frankreich war, waren seine Briefe kurz, aber fröhlich, voller lustiger kleiner Anekdoten über andere Soldaten. Einige von ihnen hatten ein besonderes Talent für das Aufspüren von Proviant. Sie verschwanden eine Weile und kamen mit einer Flasche Brandy oder einem Kaninchen zurück, das sie mit einer Falle gefangen hatten. Andere schrieben Gedichte oder konnten singen, manche brachten alle zum Lachen, und wieder andere konnten gut erzählen. Jeder andere, der Jimmys Briefe gelesen hätte, hätte glauben können, dass er in einem Pfadfinderlager war und jede Menge Spaß hatte. Doch Belle hatte gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Sie wusste, dass er jedes Mal Angst hatte, wenn er an die Frontlinie geschickt wurde, aber davon überzeugt war, dass sein Schicksal vorbestimmt war und er nichts daran ändern konnte.
    Belle wusste, sie würde genauso schreckliche Dinge sehen wie Jimmy, wenn sie erst einmal einen Rettungswagen fuhr. Bei den Patienten, die ins Royal Herbert eingeliefert wurden, waren die Wunden bereits gesäubert und verbunden worden. Hoffentlich würde sie in der Lage sein, mit wesentlich schlimmeren Dingen umzugehen, ohne zusammenzubrechen!
    »Nanu, Belle, haben Sie etwa einen Platten?«
    Belle

Weitere Kostenlose Bücher