Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
zurückhalten wollte, konnte ich nicht noch einmal auf ihn schießen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Ich habe nur direkt neben ihn gezielt, damit er zur Seite springt. Ich wusste, dass er fallen würde, er war noch so schwach. Und dann habe ich den Stab genommen und bin zurück zur Pforte gerannt.«
Tamwyn knurrte tief in der Kehle: »Zurück zu deinem Herrn, willst du sagen. Aber er hat dich überlistet, nicht wahr? Hat dir seine kleinen Vögel entgegengeschickt. Und sie haben den Stab genommen! Und jetzt hat dank dir derHexer alles, was er braucht, um Avalon zu regieren – oder zu zerstören, falls er das plant.«
Sie ließ den Kopf zwischen die Knie hängen. »Ich habe euch gesagt, ich verdiene zu sterben.«
Tamwyn schaute auf sie hinunter. Allmählich wurde sein Gesicht weicher und die Fäuste entspannten sich. »Nein, das stimmt nicht. Du hast nur . . . versucht einem anderen das Leben zu retten.«
Elli sah ihn verständnisvoll an. »Damit kennst du dich sehr gut aus.«
»Stimmt.« Ein wenig Farbe stieg ihm wieder in die Wangen. »Und Brionna – du warst auch dumm. Wirklich dumm.« Er seufzte. »Damit kenne ich mich ebenfalls sehr gut aus.«
Er richtete sich auf und schaute über die Höhe des grasbewachsenen Hügels. Ein paar Wolkenfetzen zogen über den Himmel wie verblasste Rauchfahnen. Beinah konnte er den pfeifenden Wind dort droben hören – gerade wie er beinah diesen schmerzlichen, klagenden Wind beim weißen See vernahm. »Wir sind jetzt nicht weit vom Damm des Hexers, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Brionna düster. »In ein paar Stunden wären wir dort.«
»Nun gut. Zeig mir die Richtung.«
Brionna versteifte sich. »Was hast du vor?«
»Den Stab zurückzuholen natürlich. Bevor Weißhand einen Kristall aus Élano machen kann.«
»Unmöglich! Allein kannst du es nicht mit ihm aufnehmen.«
»Das werden wir sehen.«
Elli streckte die Hand aus und half dem Elfenmäd chen auf die Füße. »Du hast gedacht, sein
Bruder
sei stör risch ?«
Tamwyn wollte etwas zu Elli sagen, aber sie drückte ihm den Finger auf die Lippen. »Ich gehe mit. Versuch noch nicht einmal, es mir auszureden.«
»Aber . . .«
»Ich gehe mit, du großes Trampeltier.«
Er seufzte. »Na schön. Aber was ist mit dir, Nuic?«
Der Tannenzapfengeist wurde rötlich violett. »Glaubst du, ich würde dich allein gehen und die Sache verpfuschen lassen? Kommt gar nicht infrage.«
»Und du, Flederwisch?«
»Ich bin kein Käkämpfer, Mannemann. Ich käkämpfe nicht gegen Ghoulacacavögel.«
Tamwyn nickte. »Endlich jemand mit ein bisschen Verstand.« Er streichelte dem kleinen Kerl die trichterförmigen Ohren. »Du wirst mir fehlen, mein Freund.«
Flederwisch zog eine Grimasse. »Ich hau nicht abab, Mannemann! Ich bin nur kein Käkämpfer. Ich bleibe in deiner Tasche, klaklar. Jaja, jaja, ja ja ja.«
Tamwyn schüttelte den Kopf, dann wandte er sich an Henni, der Kieselsteinchen in den offenen Schnabel des toten Ghoulaca warf. »Und du? Es ist ganz in Ordnung wegzugehen, das weißt du.«
Der Hoolah starrte ihn entgeistert an. »Weggehen?«
»Ich meine, es wird zum Kampf kommen. Einem harten Kampf. Diesmal könntest du wirklich getötet werden.«
Henni überlegte einen Moment, wobei er das gewebte rote Stirnband verdrehte. »Klingt nach Spaß.«
»Nein«, sagte Tamwyn entschieden. Er ging durchs Gras und legte Henni die Hände auf die Schultern. »Es ist
kein
Spaß. Und ich glaube, du hast das schon selbst gemerkt und bist dadurch wahrscheinlich der einzige Hoolah in Avalon, der den Unterschied zwischen Leben und Tod versteht! Aber wirklich, Henni, Hoolahs sind einfach nicht dazu geschaffen, anderer Leute Kämpfe auszutragen, stimmt’s? Du solltest nicht mitgehen.«
Henni streckte das Kinn vor. »Nicht für alle Ballonbeeren in Avalon lass ich mir das entgehen.«
Weil er sah, das Reden keinen Sinn hatte, hörte Tamwyn auf damit. Er wandte sich wieder an Brionna. »Also zeig uns den Weg.«
»Ich würde euch lieber selbst führen.« Mit der anmutigen Behändigkeit einer Elfe griff sie nach ihrem Langbogen und dem Köcher. »Das heißt . . . falls ihr mich ertragt.«
Er begegnete ihrem Blick und nickte langsam. »Also los.«
»Es wird auch Zeit«, knurrte Nuic, der seinen Platz auf Ellis Schulter wieder eingenommen hatte.
Gemeinsam wanderten sie den Hang hinauf. Kühles Gras streifte Tamwyns Knöchel, aber er bemerkte es nicht. Denn seine Aufmerksamkeit galt wieder dem Himmel. Den Wolkenfetzen . . . und dahinter dem
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