Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
Stab des Zauberers.
Nur ein Stern war geblieben. Und er vibrierte, pulsierte wie eine schmerzende Wunde.
38
Tod auf Flügeln
T ief im Schatten seines Felsenturms am Rand des Cañons sah der Hexer im Umhang aus wie ein schwarzer Fleck in der Finsternis. Nur seine blassen, glatten Hände fingen genug Licht auf, um gesehen zu werden. Sie streichelten etwas behutsam, fast liebevoll: einen knorrigen Holzstab.
Die dünnen Finger des Hexers rutschten die Länge des Stocks hinunter und berührten jede Maserung, jede Unebenheit des Holzes. Weder der Stab noch die knotige Spitze deuteten durch irgendetwas auf Magie oder etwas Besonderes hin, doch der Hexer stieß ein dünnes, zischendes Gelächter aus. »Vor mir kannst du deine Kräfte nicht verbergen, Stab von Merlin! Ich spüre sie, hmmmja, sogar jetzt.«
Er drückte den Stab, wie ein Mann die Kehle seines Feindes zusammenpresst. »Und obwohl es bedauerlich ist, ein so mächtiges Werkzeug der Magie zu zerstören, werde ich dich vernichten. Hmmmja! Nachdem ich dich für eine einfache Aufgabe benutzt habe.«
Er hob den Kopf in der Kapuze und schaute prüfend in die Luft. Die blutroten Klauen und Schnäbel von überzwanzig Ghoulacas, die oben kreisten, blitzten im Sternenlicht auf. Das war der Tod auf Flügeln. Die fast durchsichtigen Silhouetten schienen den Himmel zu beschmieren, während sie oben vorbeizogen und ihre wütenden Schreie über den Cañon, den Damm und den großen weißen See hallten.
Ein scharfer Wind blies und heulte noch lauter als die Vö gel . Der Hexer umklammerte den Kragen seines Umhangs, damit der Kopf bedeckt blieb. »Verdammter Wind«, fluchte er. »Bald genug werde ich dein Meister sein!«
Er fuhr fort hinaufzuschauen, an den Ghoulacas und den vom Wind aufgewirbelten roten Staubwolken vorbei zu den Sternen dahinter. Nur ein Stern leuchtete noch in der Konstellation, die er so gut kannte – und schon flackerte er schwach. Unter der Kapuze lächelte der Hexer voller Vorfreude.
»Mein Herr Rhita Gawr hat hoch oben seine Arbeit gut gemacht, hmmmja. Wie ich die meine unten! Bald, sehr bald wird die ganze Welt von Avalon, Wurzel und Ast, unser sein.«
Harlechs massige Gestalt stieg aus dem Steinbruch unterhalb des Turms. Der Mann ging hinüber zum Hexer, seine schweren Stiefel waren blutverspritzt, seine Waffen klirrten bei jedem Schritt. Am Rand des Schattens unter dem Turm blieb er stehen.
»Alles ist bereit, Meister, grad wie du es wolltest.«
»Der Damm?«
»Ja, Meister. Bloß noch eine Steinreihe muss drauf.« Er nickte zum Damm hin, wo mehrere Reihen angeketteterPferde, Wölfe, Ochsen, Hirsche und Zwerge daran arbeiteten, enorme Steinblöcke an ihren Platz zu bringen. Ihre Augen waren ausdruckslos, die Gesichter ausgemergelt. Ob sie auf zwei oder vier Beinen – oder im Fall einer braunen Stute mit einem schlimm geschwollenen Vorderbein auf dreien – standen, alle beugten die müden Rücken unter den knallenden Peitschen der Sklaventreiber. »Sie sind beinah fertig.«
Die Stimme im Schatten grollte: »Dann sind wir noch
nicht
wirklich fertig, stimmt’s, mein Harlech?«
Nervös rieb sich der Krieger die lange Narbe am Kinn. »N-nein, Meister.«
»Und mein Boot?«
»Das ist bereit, ja.« Er deutete auf das Ufer des Sees in der Nähe der Stelle, wo der Damm auf diese Seite des Cañons traf. »Ich habe es selbst überprüft.«
»Die Farbe?«
»Reines Lilienweiß, Meister. Grad wie du gesagt hast.«
Es raschelte und der Hexer im Kapuzenumhang trat aus dem Schatten. »Ein weißes Schiff«, krächzte er und bohrte die Spitze des Stabs in die roten Steine auf dem Boden. »Hmmmja, genau wie Merlin selbst es einmal benutzte. Sehr gut, mein Harlech, sehr gut.«
Das runde Gesicht entspannte sich etwas und der Mann fragte: »Was hast du dann mit den Sklaven vor? Wenn der Damm fertig ist, meine ich.«
Im Schatten der Kapuze blitzten die Augen bösartig. »Muss ich dir denn alles sagen? Sie werden umgebracht. Alle – vom größten Pferd bis zur kleinsten Leuchtfliege.«
Harlech nickte eifrig. »Ja, Meister.«
Der Hexer drehte sich um und machte einige Schritte auf der Straße, die zum See führte, dann blieb er stehen. »Wenn du schon dabei bist, dann füg dem alten Elfen etwas besonders Schmerzliches zu. Er
ärgert
mich, Harlech, mit seinem ständigen Stöhnen und Bluten. Ich habe ihn am Leben gelassen für den Fall, dass ich ihn brauche, damit seine Enkelin mir gehorcht, aber jetzt nützt er mir nichts mehr.«
Ein neuer Windstoß
Weitere Kostenlose Bücher