Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung

des Sees. »Siehst du das Boot dort drüben, gerade unterhalb des Damms? Das ist für Weißhand, da bin ich mir sicher. Die Herrin vom See sagte, dass Merlin in einem weißen Boot hinaus aufs tiefe Wasser fuhr, um Élano an den Stab zu ziehen. Deine Aufgabe ist es also, Henni, das Boot zu versenken.«
    Ein breites Grinsen zog über das Gesicht des Hoolah. »Na,
das
klingt nach Spaß.«
    »Halte für alle Fälle deine Schleuder bereit.«
    Henni kicherte. »Aber selbstverständlich, Tollpatsch.«
    Elli gab Tamwyn einen leichten Schulterschlag. «Was ist das mit dieser Ablenkung?«
    Er seufzte. »Nun, zuerst wollte ich ein Trickfeuer machen – wie das mit den Holzspänen in Steinwurzel.«
    »Richtig.« Ihre Augen funkelten verschmitzt. »Das war der Moment, in dem ich dich fast getötet hätte.«
    Tamwyn schüttelte den Kopf, dass die langen schwarzen Haare flogen. »
Einer
der Momente, meinst du.« Dann wurde er ernst. »Aber das hat nur geklappt, weil es ein kleines Feuer war. Beim nächsten Versuch, als diese Ghoulacas uns im Wald angriffen, ging es aus.«
    »Seither hast du einiges gelernt«, sagte Elli.
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht genug. Man muss ein richtiger Zauberer sein, damit diese Art Trick gelingt.«
    »Du meinst, diese Art von Illusion«, zischte Nuic, der jetzt ein gereiztes Gelblichgrün zeigte. »Bis du gemerkt hast, dass Illusionen genauso wirklich sind wie du, Tamwyn, werden sie immer nur kindische Tricks sein.«
    »Sag, was du willst«, erwiderte Tamwyn, »aber ich kann mich darauf nicht verlassen. Nein, ich werde schreiend und brüllend am Cañonrand entlanglaufen. Das ist die beste Ablenkung, die ich zustande bringe, und sie wird die Ghoulacas vom Damm wegbringen.«
    »Und dir auf den Kopf!« Elli schnitt eine Grimasse. »Das ist der reine Selbstmord.«
    Henni strich sich übers Kinn. »Eine Weile könnte es allerdings aufregend sein.«
    »Eine sehr kurze Weile!« Elli blieb unnachgiebig. »Du musst dir etwas anderes einfallen lassen.«
    Aus Tamwyns Tasche tschilpte eine kleine Stimme: »Biiiitte, Mannemann, lalass dir doch was einfallen!«
    Tamwyn zuckte die Achseln. »
Was
denn? Die Zeit wird knapp und . . . ich habe keine bessere Idee.«
    »Warte!« Elli strich sich ein paar Locken aus der Stirn. »Vielleicht könntest du mit diesen Vögeln sprechen! Sie verscheuchen!Wie du es mit dem Drachen getan hast, weißt du noch?«
    Zweifelnd verzog er das Gesicht. »Das war nur ein Geschöpf, nicht zwanzig! Und außerdem kannte ich bereits die Sprache des Drachen. Dieser Gedanke . . .«
    »Könnte funktionieren.« Elli drückte seinen Arm. »Und dich auch noch am Leben halten.«
    Der Maryth auf ihrer Schulter brummte. »Wenigstens zwei oder drei weitere Minuten lang.«
    Tamwyn schaute hinauf zu den wilden Vögeln und horchte angestrengt auf ihre Schreie. »Nun . . . es könnte klappen.«
    Elli nickte heftig. »Dann versuch es. Und wenn du sie weggeschickt hast, kannst du den Stab suchen.«
    »Eins nach dem anderen, ja?«, sagte er schroff und schob ihre Hand weg.
    Doch in Wahrheit hatte er bereits an den Stab gedacht.
Sie hat Recht. Ich sollte ihn suchen. Wer sonst kann ihn zurückbrin
gen ? Aber wie konnte er ihr sagen, dass er sich mehr vor dem Stab fürchtete als vor dem Hexer? Davor, was geschehen mochte, wenn er ihn auch nur berührte?
    »Schaut!« Brionna deutete auf den gegenüberliegenden Rand des Cañons. Eine Gestalt im grauen Umhang und mit einem Stock ging rasch hinunter zum Wasser. »Der Hexer. Er geht zum Boot!«
    Tamwyn schob seine Zweifel beiseite, sah zum Himmel und versuchte sich zu konzentrieren.
    Auf blutrote Klauen und degenscharfe Schnäbel. Auf durchsichtige Flügel, die im Wind segelten. Auf angeborenenZorn. Hass. Den überwältigenden Drang, zu tö ten .
    Er betrachtete die verschwommenen Streifen der Ghoulacas und richtete alle Gedanken auf sie.
Fliegt weg!
, rief er drängend.
    Fliegt weg. Wenn ihr hier bleibt, werdet ihr sterben!
    Ein neues, plötzlich ausbrechendes Geschrei ertönte. Die Ghoulacas flogen schneller, Klauen schlitzten die Luft. Die Vögel schienen verwirrt, sogar verängstigt zu sein. Aber sie verließen nicht den Damm!
    Tamwyn schaute über den Cañon. Der Hexer war jäh stehen geblieben. Er musterte den Himmel, irgendetwas schien er zu ahnen.
    Fliegt weg,
drängte Tamwyn.
Zur nächsten Pforte. Es ist eure einzige Möglichkeit zu fliehen!
    Noch mehr Verwirrung. Die Vögel kreischten wild.
    Los! Fort jetzt. Bevor ihr alle sterbt!
    Plötzlich trennten