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Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung

Titel: Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
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nicht die Zeit, zurückzuschauen.
    Er schwamm in einen finsteren Schatten. Die massigenSteine des Damms türmten sich über ihm und verdeckten die Sterne. Ein Zug, noch ein Zug – und endlich berührte er mit der Hand den harten Steinblock. Schwer atmend hob er den Stab aus dem Wasser, richtete die tropfende Spitze auf den Damm und skandierte den Spruch, den er Augenblicke zuvor gehört hatte:
     
    Horch, Élano, Seele des Baums:
    Such die Magie, den Stab Ohnyalei.
     
    Er hörte Kulwych Flüche brüllen – und Zaubersprüche. Etwas Magisches ergriff seinen Arm und hielt ihn in die Luft.
    Tamwyn mühte sich den Stab zu bewegen, das einzig wahrhaft Richtige zu tun, das er je getan hatte. Er zog mit jeder Faser seiner Kraft, strampelte, um oben zu bleiben. Sein Arm bewegte sich ein wenig, dann noch ein wenig.
    Und plötzlich war er frei. Der Arm schwang vor. Die Spitze von Merlins Stab stieß mit einem Funkenschauer auf den Damm.
    In diesem Moment geschah vieles zugleich. Die Steine fingen an zu zittern und zu brechen. Ein Rumpeln kam von irgendwo tief in dem Bauwerk und schwoll schnell zu einem heftigen Dröhnen an. Und auf dem Stab erschien ein leuchtender weißer Staub, als wäre das Holz mit Sternenlicht überzogen.
    Der Mörtel zwischen den Steinen bröckelte und der Damm widerstand nicht mehr. Das Wasser des riesigen Sees schlug gegen die Steinblöcke, drang in die Ritzen und floss um den Cañonrand – um endlich frei zu strömen. In einemgewaltigen Schwall von Wasser und Stein brach der Damm entzwei. Wasser schoss rund um Tamwyn auf und warf ihn herum wie eine Eichel auf einem tobenden Fluss.
    Tamwyn wusste, dass er bald sterben würde, zerschmettert würde er am Boden des Cañons liegen. Doch während er schon auf einem wilden Strom von Schaum und Gischt über die Prismenschlucht flog, wusste er, dass er es geschafft hatte. Er würde sterben, aber Kulwych ebenfalls . . . und mit ihm alle seine Pläne.
    Er fiel schneller und stürzte hinunter. Große Wellen spül ten über ihn, schlugen ihn mit ihren flüssigen Gliedern, wirbelten ihn in alle Richtungen. Mit immer neuer Kraft wurde er geprügelt, geschlagen, umhergeschleudert.
    Dann stach ihn etwas, es durchbohrte Tunika und Fleisch. Es fühlte sich an wie mehrere Messer. Oder vielleicht . . . Krallen.

43
Dunkle Flamme
    Z wei Tage später stand Tamwyn im tiefen Grün von Waldwurzel unter einer hohen Buche. Ihre Zweige trugen so viele Blätter, dass sie wie plätschernde grüne Bä che vom Stamm zu fließen schienen. Der Stamm war so massig, dass zehn Männer ihn mit ausgestreckten Armen nicht umspannen konnten. Waldelfen hielten ihn für den äl testen Baum in ganz El Urien.
    Er hieß, Brionna hatte das Tamwyn kurz zuvor gesagt, Elna Lebram, und das bedeutete
tiefe Wurzeln, lange Erinnerungen.
Zwischen seinen dicken, gewundenen Wurzeln waren die bedeutendsten Wissenschaftler, Lehrer und Barden der Waldelfen begraben. Manche glaubten, dass deshalb die Rinde des uralten Baums noch so glatt schimmerte wie die eines jungen Stamms.
    Heute, während Tamwyn zuschaute, nahmen diese Wurzeln einen weiteren Toten auf: Tressimir, den gefeierten Historiker seines Volkes. Hunderte Elfen füllten das Gehölz um die Buche, alle trugen tiefgrüne Gewänder, alle beobachteten schweigend, was geschah. Neun von ihnen, jeder ein Symbol für einen Punkt auf dem Kompass der Waldelfen, senkten den Körper in den Boden. Obwohl umhülltvon verschiedenen Leichentüchern – aus Silberpappelblüten, Lorbeerwurzeln und Immergrünblättern gewebt   –, wirkte der alte Elf sehr klein.
    Brionna stand am Grab, sie hielt sich gerade wie ein Baum auf einem windstillen Bergkamm. Als schließlich der Leichnam ihres Großvaters zwischen die Wurzeln gelegt worden war, bückte sie sich anmutig und legte einen Kranz aus frischem Tannengrün dazu. Diesen Kranz hatte sie gewählt, weil sein Duft sowohl süß war wie ihre Erinnerungen und bitter wie ihre Sehnsucht.
    Neben ihr stand Elli. Ihr Gesicht war finster wie das des dunkelgrauen Tannenzapfengeistes auf ihrer Schulter. Shim saß in der Nähe auf einer der knorrigen Wurzeln und wischte sich gelegentlich eine Träne von der geschwollenen Nase. Selbst Henni wirkte still und zurückhaltend; in seinem Stirnband trug er die Feder einer Eule, die er auf dem Damm gerettet hatte.
    Während dunkler Lehm in das Grab geschüttet wurde und einen fruchtbaren Hügel bildete, fingen die Elfen an zu singen. Ihre Stimmen, sanfter als steigender Nebel, füllten

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