Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
mochte. Und ob er tatsächlich dazu bestimmt war, Avalon zu vernichten.
Jeder Tag brachte noch mehr Schwierigkeiten als der vergangene. Sie überquerten ein großes Feld mit losen Felsblöcken, die wackelten und rutschten, während die Reisenden auf allen vieren darüberstiegen. Sie wanderten über einen Gletscher mit pochenden kalten Flüssen unter der Oberfläche, der von dunstig blauen Eisspitzen gekrönt war. Und sie sprangen über mehrere tiefe Rinnen – alle außer Llynia, die nur zum Überqueren bereit war, wenn Fairlyn sich als Brücke hinlegte.
Immer höher kletterten sie, auch über die Seenkette, die als Riesenstapfen bezeichnet wurden. Aber auch diese Seen waren wie alle anderen, die sie gesehen hatten, fast ausgetrocknet. Statt ihrer normalen türkisblauen Farbe zeigten sie ein lehmiges Braun, über ihre Böden zog sich ein Netzvon Rissen. Eines Nachmittags schwebte ein großes geflü geltes Geschöpf über ihnen und Tamwyn betrachtete es hoffnungsvoll – bis er sah, dass es nur ein Cañonadler war und nicht der Bruder, den er seit so vielen Jahren suchte.
Als sie an Höhe gewannen, ragten vor ihnen die großen Gipfel von Olanabram auf. Mehr Felskuppen lagen frei, als Tamwyn je gesehen hatte, auch wenn sie immer noch von Schnee gekrönt waren. Sogar Hallias Gipfel, der schroffe Berg, auf dem Merlin und Hallia vor langer Zeit getraut worden waren, zeigte sich fast schneefrei.
Hinter den hohen Gipfeln konnten sie gerade noch eine Reihe dunkelbrauner Bergkämme erkennen, die sich in parallelen Reihen nach Norden zogen und dort anstiegen, während sie im fernen, stets wabernden Nebel verblassten. Diese Kämme waren, wie Tamwyn wusste, eigentlich die untersten Bereiche von Avalons Stamm. Denn hier war der einzige Ort in allen Wurzelländern, wo der Stamm des großen Baums tatsächlich zu sehen war – abgesehen vom schäumenden Meer, einem merkwürdigen Anhängsel, das manche als Avalons oberste Wurzel und andere als seinen untersten Ast betrachteten.
Während Tamwyn auf diese nebligen Berge schaute, über legte er, wie hoch der Stamm des großen Baums letzten Endes sein mochte. Trug er Äste, die so groß und unterschiedlich waren wie die Wurzeln? Und reckte sich der Stamm über diese Äste, über die Nebelstreifen hinaus . . . bis zu den Sternen?
Endlich, am elften Tag ihrer Wanderung, erreichten sie den Zugang zum rauen Pfad. Er befand sich fast auf demKamm eines windumbrausten Bergs hinter einer schroffen Felsmasse, die ihn verbarg. Tatsächlich war es unmöglich, die Höhle zu erkennen, wenn man nicht fast darüberstand. Stalaktiten, schärfer als Drachenzähne, hingen vom Dach der Höhle herunter und ließen sie aussehen wie ein schwarzes Steinmaul, das darauf wartete, jeden zu verschlucken, der zu nahe kam.
»
Dahin
gehen wir?« Llynias Gesicht war von der Sonne rot verbrannt (bis aufs Kinn), jetzt rötete es sich noch mehr. »Da hinein?«
Erschöpft nickte Tamwyn. Er setzte seine Last ab, die jetzt nur noch aus ein paar Wasserflaschen und trockenen Kräu tern bestand, und blies seinen frostigen Atem in die kalte Bergluft. Dann wies er hinunter auf die großen Schneefelder, Gletscher und Moränen, die sich endlos hinzuziehen schienen und nur von wenigen grauen Felsspitzen in der Schneedecke unterbrochen waren. »Wenn du willst, kannst du versuchen dort unten eine Pforte zu finden. Vielleicht begegnet dir ein freundlicher Schneeleopard, der dir hilft.«
Llynia runzelte die Stirn. »Aber du weißt noch nicht einmal, ob das der richtige Pfad ist!«
»Oder ob er in die richtige Richtung führt«, ergänzte Elli. Sie bückte sich nach einem Stein und warf ihn in das aufgerissene Höhlenmaul. Er rutschte und klapperte sekundenlang, dann war es plötzlich still. Er war geschluckt worden.
»Das könnte nichts anderes sein als . . .« Llynia wischte sich die Stirn mit dem Ärmel ihres zerfetzten Gewands, ». . . eine Todesfalle.«
»Ooh, wirklich?« Henni warf seine Last auf die Felsen.Mit glänzenden silbrigen Augen sprang er hinüber zum Höhleneingang und schaute hinein. »Ich habe noch nie eine Todesfalle gesehen, die mir nicht gefiel.«
»Das ist ein gutes Hoolahmotto«, sagte Tamwyn. »Na schön. Du kannst vorausgehen.«
Henni streckte die langen Arme hoch und packte mit seinen großen Händen zwei Stalaktiten. Dann hob er die Beine und schaukelte ungeachtet der Gefahr, in die Höhle zu fallen, die bis tief ins Gebirge führte. »Hiihii, hiihii, huuhuuhiihiiha-ha-ha!«, lachte er mit
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