Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
Körper strömte.
Als er die Flasche verstaute, empfand er plötzlich einen tiefen Schmerz wegen der Freunde, die nicht mehr bei ihmwaren. Wie er sie alle vermisste! Er dachte an Gwirion, der inzwischen das Geschenk von Tamwyn an seiner Tür entdeckt haben musste – ein Geschenk, das sein Leben verändern würde und vielleicht das seines ganzen Volks. Er dachte an Henni und Flederwisch, die in den Spiralkaskaden verschwunden waren. Und er dachte an Scree, der sich jetzt so weit erholt haben sollte, dass er wieder auf den Beinen war – und kochend vor Zorn auf Tamwyn, der ohne ihn zu seiner Reise aufgebrochen war.
Schließlich dachte er an Elli. Niemand in Avalon konnte ihn so wütend machen wie sie. Selbst ihr ständig missmutiger kleiner Maryth war manchmal ein traumhafter Gesellschafter im Vergleich zu ihr. Und doch
. . .
in anderen Momenten gab sie ihm das Gefühl, er könne fliegen ohne Flügel. Oder stundenlang neben ihr sitzen und kein einziges Wort reden. Oder spüren, dass ihm trotz seiner Ungeschicklichkeit und Torheit einfach alles gelingen werde, was er unternahm.
Er band sein Bündel zu und betastete den Lederriemen, der von den Wolfszähnen eingerissen worden war.
Sobald ich meinen Dolch reparieren kann
, schwor er,
arbeite ich wieder an diesem Harmónaholz. Selbst wenn sie es nie sieht, möchte ich ihr bauen, was ich versprochen habe.
Dann, nachdem er seinen Stab in die Hülle gesteckt hatte, damit er mit beiden Hände schieben konnte, lehnte er sich gegen den Stalagmiten. Mit ächzendem Knirschen rutschte der Tropfstein zur Seite und gab eine schmale moosige Treppe in einem Tunnel frei, der direkt hinunter in den Hügel führte.
Hinunter?
, staunte Tamwyn.
Sie muss irgendwo drunten mit der eigentlichen Treppe in Verbindung stehen. Und dann werde ich hinaufgehen. Und weiter hinauf.
Er beugte sich vor und spähte hinab. Das schwache Élanolicht würde ihm mit seiner nächtlichen Sehkraft hoffentlich mehr verraten. Doch er konnte nichts sehen. Nur steile, moosige Stufen, die hinunter in die Dunkelheit führten.
Aber er hörte etwas. Wasser! Es rauschte wie ein Fluss.
Merkwürdig. Nun, vielleicht liegen die Stufen neben einem Fluss. Ich werde es bald genug herausfinden.
Seine Erregung stieg wieder. Er stellte den Fuß auf die oberste Stufe und machte sich nicht die Mühe, genau hinzuschauen
. . .
sonst hätte er wohl bemerkt, dass ein großer Teil von ihr abgebrochen war.
Tamwyn verlagerte das Gewicht auf diesen Fuß – und trat in die freie Luft. Er taumelte, fiel direkt in den Tunnel, stürzte durch den Schacht und knallte auf die Stufen, während er über das nasse Moos rutschte. Auch wenn er nicht hörte, wie der Stalagmit über ihm die Öffnung zuschlug, wusste er, dass er gefangen war: Jetzt würde er erst drunten auf dem Boden anhalten. Und das versprach wehzutun, noch mehr als dieser Fall. Er stürzte so schnell, dass er sich noch nicht einmal auf den Knall vorbereiten konnte, von dem er wusste, dass er bald kommen würde.
Aber er kam nicht. Stattdessen –
Plaaaattschsch!
Er landete mit einem gewaltigen Aufspritzen in dem Fluss, den er kurz zuvor gehört hatte. Wasser schwappte über ihn, durchnässte ihn bis auf die Haut und floss ihm inkleinen Bächen übers Gesicht, als er im Kampf um Luft hustend auftauchte. Aber das war kein normaler Fluss, er merkte es bald. Das Wasser war lau, überraschend sanft – und es floss geradewegs aufwärts.
Hinauf! Dieser Fluss stieg tatsächlich im Stamm des großen Baums geschwind empor. Wie die Spiralkaskaden, die Tamwyn eine Strecke weit hinaufgetragen hatten, hob sich diese Wasserstraße vertikal – und, so kam es ihm vor, endlos. Immer höher trug sie ihn jetzt wie ein umgekehrter Wasserfall.
Doch anders als die gigantischen Spiralkaskaden schlug und schleuderte dieser Fluss ihn nicht bewusstlos. Sein Wasser stieg auch nicht, während Licht herabsank und Musikklänge unterwegs ertönten. Stattdessen floss dieses Wasser nur immerzu und hob ihn so leicht hinauf wie ein Aufwind ein einzelnes Blatt hochweht.
Also das ist die Treppe!
Blitzartig hatte alles seinen Sinn. Deshalb war für das Wandgemälde die wässrige Silberfarbe benutzt worden, sie zeigte den Weg. Und deshalb hatte Gwirion anscheinend gar nicht an Tamwyns Verletzungen gedacht, als er ihm sagte, er solle so hoch klettern wie nur möglich.
Wie ein Wassertropfen ritt Tamwyn auf der steigenden Strömung. Das einzige Geräusch, das er hörte, war das endlose Rieseln und
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