Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
wie die Steine, die er zum Hügel getragen hatte. Er würde diesen brutalen Krieger finden, bestimmt. Ihn finden und töten. Und er würde es auf die altmodische Art machen, ohne Waffen, nur mit Flügeln und Krallen.
Er schaute hinunter auf Arc-kayas Locke um sein Fußgelenk. Im späten Nachmittagslicht schimmerte sie wie ein strahlender Silberreif. Er dachte an den wahrhaft liebevollen Empfang, den Arc-kaya ihm bereitet hatte – so ganz anders als der Empfang, den er damals vor sechs Jahren bei Quenaykha, der Anführerin des Bram Kaie Clans, erlebt hatte.
Als er sie zum ersten Mal zwischen den flammenden Klippen von Feuerwurzels Vulkanregion traf, geschah das ganz zufällig. Sie waren beide niedrig geflogen und hatten dasselbe Rudel Wildschweine gejagt, als sie wegen eines Felsens, der ihnen die Sicht versperrte, beinah aufeinander prallten. Sofort war sie ihm wunderschön vorgekommen – mit langem kastanienbraunem Haar, guter Figur, strahlend gelben Augen und einem großen Machtgefühl, das alle ihre Bewegungen bestimmte. Doch während Scree selbst eine kräftige Erscheinung war, muskulös und über sein Alter hinaus in der Jagd erfahren, war er innerlich immer noch ein Junge.
Sein Leben lang hatte er auf diesen Klippen gewohnt, abgeschnitten von anderen Adlermenschen. Weil er Merlin versprochen hatte, den Stab zu beschützen, hatte er sich versteckt, besonders nachdem mörderische Ghoulacas seine Adoptivmutter getötet und ihn von seinem Bruder Tam getrennt hatten. Ohne Angehörige oder Freunde hatte er ganz allein gelebt, in abgelegenen Höhlen geschlafen und jeden Kontakt mit anderen vermieden.
Dann traf er sie. Selbst in jenen Tagen hatte sie es als neu gewählte Anführerin ihres Clans vorgezogen, einfach Queen genannt zu werden. Der naive Scree verstand nicht, was das über sie verriet – oder was ihre wahren Motive gewesen sein mochten, als sie ihn zurück in ihr Dorf lockte.
Er war eine leichte Beute für sie gewesen. Jetzt verstand er das. Sie hatte so stark, hübsch und völlig selbstsicher gewirkt. Und auch so von ihm eingenommen, dass es ihn berauschte wie der stärkste Met. Scree war einsam und verwirrt und sehnte sich verzweifelt nach Zuneigung. Die hatte sie ihm geschenkt – indem sie ihn zu einem versteckten Gehölz aus Eisenbäumen führte und in fedrige Weichheit hüllte, die alles übertraf, was er je geträumt hatte –, doch sie hatte es nicht aus Liebe getan.
Nein, es war aus Gier geschehen. Denn sie hatte Merlins Stab gesehen und seine Macht geahnt, den Stab wollte sie besitzen. Als sie in ihr Dorf zurückkehrten, hatte sie Scree liebevoll geküsst und versprochen, dass er in Sicherheit sei, während sie verstohlen ihren Wachen Zeichen gab. Scree hatte in ihrer Zuneigung gebadet und keinen Verdacht geschöpft – bis er ganz plötzlich brutal angegriffen wurde.
Nur dank seiner überlegenen Kraft und Schnelligkeit und seiner Erfahrung im Kampf mit den Ghoulacas gelang es ihm, mit dem Stab zu flüchten. Und unverletzt zu bleiben. Von diesem Tag an hatte er seine spatzenhirnige Torheit verflucht. Denn er wusste, dass er den schlimmsten Fehler seines Lebens begangen und dabei fast alles verloren hatte, was ihm wichtig war.
Jetzt richtete Scree sich auf und wandte sich vom Hügel ab. Er hob den Blick zu den Bergen über dem Dorf und musterte die windumwehte Spitze von Hallias Gipfel. Und dann sah er dahinter die dunkelbraunen Kämme in der Ferne.
Diese Kämme, die sich sternwärts reckten, stiegen immer höher, bis sie im kreisenden Nebel verschwanden. Scree wusste, dass keiner aus seinem Volk, noch nicht einmal die legendären Flieger Hac Yarrow und Ilyakk, je so hoch geflogen waren wie zu den Orten, die sein Bruder jetzt suchte. Sie hatten noch nicht einmal versucht, zu den Ästen des großen Baums hinaufzusteigen, weil sie glaubten, eine solche Reise übersteige die naturgegebene Reichweite ihrer Art. Und doch war es das, was Tamwyn tun wollte – nicht nur die Äste wollte er erreichen, sondern noch höher hinauf zu den Sternen.
Tam, wo du jetzt auch sein magst, ich hoffe, du bist noch unverletzt. Und benimmst dich vernünftiger, als ich es bin.
Scree fuhr mit der Hand durch die Luft und ging davon, um seine letzte Nacht zwischen den Nestern dieses Dorfs zu verbringen. Morgen bei Tagesanbruch wollte er weggehen, er hoffte, dass seine Kraft bei diesem Flug nach Feuerwurzelvöllig zurückkehren würde. Denn obwohl er eine kürzere Strecke zurücklegen musste als Tam, wusste er,
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