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Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore

Titel: Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
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Besonders in Hawkeens Zügen sah Scree diese Anzeichen. Und noch etwas. Denn dieser traurige, aber kräftige Junge, dessen ernste Augen golden schimmerten, erinnerte Scree an sich selbst, wie er vor Jahren gewesen war. Diese Mischung aus Trauer und Entschlossenheit kam ihm ungeheuer vertraut vor.
    Doch was Hawkeen als Nächstes tat, hatte Scree nicht erwartet. Der Junge hob das Kinn zum Himmel und begann allein zu singen. In seiner Stimme verband sich der Klageruf eines Kindes mit dem gellenden Schrei eines Adlers:
     
    Hoch oben zwischen
    Wolkeninseln
    Segelte mein gutes Boot.
    In Federn so zart
    Auf pfeilschneller Fahrt
    Trug es mich, von nichts bedroht,
    Zum Nest im Abendrot.
     
    Oh Mutter, mein Boot,
    Mein Himmelsgefährt,
    Kein Blick, keine Angst holt dich ein.
    Ich bin mit der Trauer allein.
     
    Geschmeidig und stark,
    Anmutig im Flug
    Und wendig beim Ritt auf dem Meer –
    Du lehrtest mich fliegen,
    Im Wind mich zu wiegen,
    Und machtest aus mir, das wog schwer,
    Den Herrn über alles umher.
     
    Oh Mutter, mein Boot,
    Mein Himmelsgefährt,
    Kein Blick, keine Angst holt dich ein.
    Ich bin mit der Trauer allein.
     
    Erst vor Minuten
    Hast du versprochen:
    Wir steigen so hoch wie noch nie.
    Durch Nebel und Dunst
    Trägt uns unsre Kunst –
    So sahst du’s in der Fantasie.
    Die Reise blieb Utopie.
     
    Oh Mutter, mein Boot,
    Mein Himmelsgefährt,
    Kein Blick, keine Angst holt dich ein.
    Ich bin mit der Trauer allein.
     
    Schweigend schwebst du,
    Wo ich nicht sein darf,
    Hinter den Nebelschwaden.
    Mich drängt es zu dir,
    Doch mein Platz ist hier,
    Noch bin ich nicht eingeladen,
    Noch hält mein Lebensfaden.
     
    Oh Mutter, mein Boot,
    Mein Himmelsgefährt,
    Kein Blick, keine Angst holt dich ein.
    Ich bin mit der Trauer allein.
     
    Als seine Stimme verklang, machte sich der Junge auf den Weg zu den leeren Nestern des Dorfs. Aber beim Umdrehen begegnete sein Blick dem von Scree. Einen unendlichen Moment lang schauten sie einander an, die Augen des einen golden gefleckt, die des anderen gelb umrandet. Dann, als hätten sie alles Nötige gesagt, nickten sie gleichzeitig. Der Junge ging ernst ins Dorf, Scree wandte sich wieder dem Totenhügel zu.
    Während die anderen Überlebenden weitersangen, dachte Scree an Arc-kaya. An ihre Güte, ihre Großzügigkeit und ihre Liebe.
    Dann sah er in Gedanken das höhnische Gesicht des jungen Kriegers vor sich, der sie ermordet hatte. Es war ein Gesicht voller Kampfeslust. Voll Hunger nach Blut. Und außerdem
. . .
noch etwas, ein seltsamer Zug, den Scree nicht recht deuten konnte.
    »Ich werde dich finden, brutaler Krieger«, knurrte er vor sich hin. »Du wirst bezahlen für das, was du getan hast! Bei den tausend Hainen!«
    Denn er hatte seine Pläne geändert. Er wusste, dass er nicht hoffen konnte, seinen Bruder Tam zu finden, der wahrscheinlich jetzt tief im Stamm des großen Baums war, und er wusste auch, dass er nicht Wochen mit der Suche nach Brionna und Elli verbringen durfte, die überall in den sieben Reichen sein konnten. Deshalb hatte er sich für ein anderes Vorgehen entschieden. Es war höchst riskant und kühn bis zum Wahnsinn. Aber wenn es gelang, könnte es ihm die Möglichkeit geben, die hinterhältigen Pläne von Weißhand und dessen Herrn Rhita Gawr zu vereiteln. Und wenn er Erfolg hatte, würde er seinen eigenen kleinen Beitrag leisten zur Rettung Avalons vor dem Sturm, der wahrscheinlich sehr bald losbrach.
    Er wollte nach Feuerwurzel zurückkehren – und den Bram Kaie Clan finden. Koste es, was es wolle, er würde ihn aufspüren und die Anführerin töten, die den grausigen Pakt mit Weißhand geschlossen hatte. Und wenn möglich, würde er noch jemanden töten: den jungen Mörder, der Arc-kayas Leben gestohlen hatte.
    Screes Augen schimmerten wie geschärfte Klingen, als er ernst nickte. So gefährlich dieser Gedanke auch war, er wusste, dass er das Richtige vorhatte. Selbst wenn er Tam nicht auf dessen Suche begleiten konnte, würden sie wenigstens das gleiche Ziel anstreben. Und während sie durch riesige Entfernungen voneinander getrennt waren, würden sie so doch zusammen sein. Und ihren Teil für Avalon leisten.
    Er schluckte mühsam, als er erkannte, dass dieser Plan ihm auch aus anderen Gründen gefiel: Selbst wenn das Vorhaben misslang, würde er nicht wie ein Hanswurst dastehen. Weder in seinen Augen – noch vielleicht in denen von Brionna. Und außerdem konnte er ein wenig Rache für Arc-kaya üben.
    Einen Augenblick kam er sich so hart vor

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