Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
Meer erreichte. Falls er das je schaffte. Und wo er seine nächste Mahlzeit finden würde, konnte er nur raten.
Wichtiger ist
, sagte er sich,
die Pforte zu finden.
Er verschloss die Flasche und legte sie ins Bündel zurück. Seine Hand streifte das Harmónaholz und es vibrierte wieder mit einem tiefen, zitternden Ton. Seit dem Abschied von Elli hatte er es nicht mehr berührt. Und weil er so durcheinander war, selbst jetzt noch, wollte er das Holz nicht in den Händen halten und es schon gar nicht schnitzen.
Er hängte sich das Bündel über die Schulter und richtete Stab und Dolch in ihren Behältern gerade. Dann begann er wieder zu klettern. Hand über Hand zog er sich auf dem rauen Fels hinauf und stieg nach und nach höher. Wieder brach ein Halt und schürfte ihm den Daumen auf, aber diesmal konnte er den Fall vermeiden. Er musste zwanzig Minuten lang hart arbeiten, bis er wieder die Stelle unterhalb des Vorsprungs erreichte, wo er hinuntergestürzt war.
Keuchend hielt er inne, als er zu dem Vorsprung hinauflangte und einen neuen Halt suchte.
Das ist schwierig
, sagte er sich.
Das Schwierigste, das ich je getan habe.
Ein bitteres Lächeln zog sich über sein schmutzverschmiertes Gesicht.
Außer dem Versuch, mit Elli zu reden.
Seine Hand fand einen herausragenden Stein, der als Griff taugte. Er war nicht sehr groß und fast außer Reichweite, aber Tamwyn schaffte es, ihn zu umklammern. Stöhnend versuchte er, sich auf den Vorsprung hinaufzuziehen. Zitternd vor Anstrengung kam er höher. Die nackten Füßelösten sich von den Steinen unterhalb des Vorsprungs, sein ganzes Gewicht hing jetzt an dem Griff. Hier war er letztes Mal gewesen, als –
Kraaack
. Der Griff brach ab!
Tamwyn brüllte vor Wut, als er fiel. Seine Finger kratzten über den Fels und versuchten vergeblich, sich irgendwo festzuhalten. Er rutschte weiter. Jetzt konnte er nichts dagegen tun.
Plötzlich erschien eine kräftige Hand über ihm und packte ihn am Handgelenk. Die Finger schlossen sich fest um Tamwyns verschwitzte Haut.
»Henni!«, rief er erleichtert, während er über dem Vorsprung pendelte. Mit den Beinen trat er wild um sich. »Zieh mich hoch, du Narr.«
»Huuhuu, iihii, ahahaha«, kicherte der Hoolah und genoss offensichtlich seine neue Machtstellung. Er riss die Silberaugen auf, so dass sie die runden Brauen ausfüllten. »Na, na, Tollpatsch. Schau dich jetzt nur an!«
»Zieh
. . .
mich
. . .
hinauf«, stöhnte Tamwyn und versuchte, sich über den Rand zu hieven.
Henni legte den Kopf schief und kratzte sich mit der freien Hand an der Schläfe unter dem roten Stirnband, das er immer trug. »Äh, könntest du mir sagen warum?«
»Warum?«, tobte Tamwyn und zappelte verzweifelt. »Weil ich dich sonst umbringe!«
»Du bringst mich um? Huuhuu, iihiihiihii. Klingt lustig.«
»Das wird es nicht, versprochen!«
Hennis Gesicht wurde ernst. »Nicht lustig?« Er seufzte tief. »Na gut. Was soll’s, wenn es nicht lustig ist?«
Damit ließ er los. Tamwyn schrie auf, stürzte, schlug auf die Felsen darunter, rollte und fiel, bis er endlich zum Halten kam. Stöhnend streckte er das linke Bein, das verdreht unter ihm gelegen hatte. Schwach hob er den Kopf. Selbst durch das verzerrte Bild brauner Klippen, die sich vor seinen Augen zu drehen schienen, erkannte er das glücklich grinsende Gesicht des Hoolahs über sich.
»Du, du
. . .
kleiner Misthaufen!« Er drohte mit der geballten Faust. »Warte nur, bis ich dich erwische. Ich werde dich prügeln, zerhacken und einem Feuerdrachen verfüttern. Dann reiße ich dich heraus und mache alles noch mal von vorn. Und das ist erst der Anfang!«
»Iihiihiihahaha«, lachte Henni. »Du hast dich schon wieder geirrt, Tollpatsch. Das
ist
wirklich lustig.«
Tamwyns Augen funkelten. Er hörte ein schwaches Wimmern aus seiner Tunikatasche, zog sie auf und spähte hinein. »Flederwisch? Ist alles in Ordnung?«
»Neinonein, Mannemann. Ich hatte einen sehr rumpelpumpeligen Traum.«
»Das«, brummte Tamwyn, »war kein Traum. Das war der Hoolah.«
In seiner Tasche dehnte sich ein heller grüner Schein aus. Dann zeigte sich das magere mausähnliche Gesicht mit trichterförmigen Ohren, das sehr wütend aussah. »Flederwisch wird ihm eine Lektion erteilen, oh jaja, jaja, jajaja.«
Tamwyn drehte den steifen Hals und nickte. »Nur zu!«
Mit grünem Augenblitzen hob Flederwisch die zerknitterten Flügel und stieg auf. Einen Moment schwirrte er um die Klippe, dann sah er Henni auf dem Vorsprung.
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