Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
unterscheiden wie Fincayra von Luftwurzel oder Wasserwurzel.
Er senkte den Blick.
Oder Schattenwurzel, wohin Elli jetzt reist.
Sorge und vielleicht noch ein anderes Gefühl stiegen in ihm auf. Er holte die Harmónaholzplatte hervor und nahm den Dolch aus der Scheide, dankbar, dass Ethaun ihn wiederhergestellt hatte. Aber Tamwyn nahm sich nicht die Zeit, die alten geheimnisvollen Worte zu untersuchen, die in die Klinge eingraviert waren – Worte, die von MerlinsErben sprachen … und von Rhita Gawr. Er legte sich nur das Holz auf den Schoß und fing an zu schnitzen.
Als der erste lockige Holzspan auf den Boden fiel, summte er kaum hörbar. Inzwischen machte die magische Platte selbst eine leise, wie gehauchte Musik, die orange gestreifte Maserung half Tamwyn bei jedem Schnitt. Langsam wurde der Resonanzkörper erkennbarer und das Instrument nahm Form an.
Schnitzen beruhigte Tamwyn immer. Der leichte Schwung der Klinge, die Wärme des Holzes in seiner Hand gaben ihm das Gefühl, fester im gegenwärtigen Moment verwurzelt zu sein. Und zugleich sah er zuversichtlicher in die Zukunft. Doch heute ließen sich seine Zweifel nicht vertreiben. Er wusste schließlich noch nicht einmal, wo er Saiten für diese Harfe finden sollte! Wie konnte er dann hoffen, seinen Teil zur Rettung von Avalon beizutragen?
Er schnitzte weiter. Holzspäne häuften sich auf dem lehmigen Ufer, sie vermehrten sich wie seine Sorgen.
Ich bin schließlich nur eine Person – und bestimmt kein großer Zauberer.
Dann fielen ihm unerwartet Ethauns Worte ein, die der Schmied rau geflüstert hatte:
Weißt du, manche Legenden aus dem alten Fincayra sind sehr sonderbar. Aber eine der seltsamsten behauptet, dass ein junger Zauberer erst seine Macht erreichte, als er sein erstes Musikinstrument geschnitzt hatte.
Einen kurzen Augenblick glaubte Tamwyn das. Oder er wollte es so gern glauben, dass es ihm wie ein Beweis vorkam. Dann rutschte die Klinge ab und stach ihn in denOberschenkel. Er stöhnte und verfluchte seine Ungeschicklichkeit.
Wieder voller Zweifel schaute er zum Himmel. Die Sterne leuchteten so strahlend, dass er die Augen vor den hellsten Gruppen schützen musste.
Was denke ich da? Ich weiß noch nicht einmal, wie ich anfangen soll, dort hinaufzukommen!
Dann bemerkte er etwas Seltsames. Sehr merkwürdig war das: Eine schwache Lichtlinie, so zart, dass er sie kaum wahrnahm, lief über die Mitte des Himmels. Wie ein leuchtender Riss oder eine Naht im Stoff des Tages zog sie sich durch das Sternenreich.
Blinzelnd starrte Tamwyn auf die Lichtlinie. Was war das? Vielleicht nur ein Trick der restlichen Nebelschleier. Doch sie wirkte wirklicher als das. Vielleicht war sie schon immer da gewesen, aber er hatte so hoch im großen Baum steigen müssen, bevor er sie tatsächlich sehen konnte.
Verflixte Feuerdrachen, was könnte das sein?
Ein Schatten fiel über ihn. Im selben Moment stürmten zwei Gefühle auf ihn ein – Angst und Zorn. Doch es waren nicht seine Gefühle. Tamwyn ahnte, bevor er sich noch umdrehte, dass sie von dem kamen, der den Schatten warf.
Er fuhr herum.
Drumalings! Groß und baumähnlich ragten zwei der Geschöpfe über ihn, die rindenlose Haut ihrer knotigen, vielarmigen Körper schimmerte im Sternenlicht. Wie bei den Drumalings, die ihn zuvor fast getötet hatten, saßen die Gesichter dieser beiden mitten in den struppigen Körpern. Jeder hatte als Mund einen schartigen Schlitz und ein einziges senkrechtes Auge, fast so schmal wie ein Zweig.
Aus starrem Auge schauten die Drumalings auf Tamwyn hinunter. Er hielt ihrem Blick stand. Wie bei den Drumalings in Merlins Astloch spürte er keine Gedanken in ihnen – nur einfache, rohe Gefühle. Jetzt entdeckte er eine stete Unterströmung von Angst, die mit leichtem Zorn gemischt war. Er vermied plötzliche Bewegungen, während er schnell den Dolch in die Scheide schob, das Harmónaholz im Bündel verstaute und den Ledergurt über die Schulter streifte.
Da spürte er eine neue Zornwelle – und die Drumalings griffen an. Sie schwangen ihre langen Arme mit den dicken Grasbüscheln und stürzten durch das Gebüsch, ihre schweren Wurzeln stampften. Gerade als Tamwyn sich zur Flucht wandte, krachten diese Wurzeln auf das Bachufer, an dem er gesessen hatte, und wirbelten Lehm und Holzspäne auf. Er schoss davon, sprang über den Bach und setzte über das dichte Gebüsch auf der anderen Seite. Als hinter ihm zerbrochene Äste krachten, brauchte er sich nicht umzuschauen, um zu
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