Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
wohnt in einem anderen Reich. Und obwohl ich es nie getroffen habe, liebe ich es von Herzen, seit ich vor vielen, vielen Jahren zum ersten Mal von ihm gelesen habe.«
»Nun«, antwortete Nuic mit seiner rauen Stimme, »wenn ein alter Geist es kann, warum dann nicht auch ein alter Elf? Konzentriere dich nur ganz auf diese Person, bis ihr Bild erscheint.«
Grikkolo schaute auf den Galator, und der blitzte. Farben wirbelten mit starken blauen Schatten durcheinander. Aber sie vereinigten sich nicht zu einem Bild – jedenfalls zu keinem, das Elli sehen konnte. Im nächsten Moment trübte sich der Kristall. In der Höhle wurde es wieder dunkel.
»Nun?«, fragte Elli eifrig. »Hast du es gesehen?«
»Nein«, sagte Grikkolo traurig. »Ich habe nur ein paar blaue Flecke gesehen, dahinter nichts.«
»Was war es, das du sehen wolltest?«, fragte Nuic.
»Das saphirblaue Einhorn – uralt, weise und wunderschön.«
Als Elli den Namen hörte, hielt sie den Atem an. Doch Grikkolo schien es nicht zu bemerken und fuhr fort: »Es wurde von vielen Schriftstellern
die flüchtigste Schönheit aller Länder
genannt. Ich habe gehofft«, sagte er missmutig, »es einen Augenblick durch den Galator zu sehen.«
Obwohl ihre Kehle trocken war, schluckte Elli. Sie brachte es nicht über sich, dem alten Elf die Wahrheit zu sagen – dass das saphirblaue Einhorn mit dem Jungen, das es erwartete, von Rhita Gawrs Häschern brutal getötet worden war.
»Äh, nun, vielleicht«, stammelte sie, »kannst du es ein andermal wieder versuchen.«
»Vielleicht. Doch ich fürchte, es gelingt mir nicht. Genau wie Mut nicht meiner Natur entspricht, verstehe ich auch nichts vom geheimnisvollen Wirken der Magie.« Wieder seufzte er. »Oder von Liebe.«
»Elliryanna«, sagte Nuic leise, »gibt es jemanden, den du sehen möchtest, bevor wir gehen?«
»Ja.« Sie schwankte zwischen Ärger und Belustigung, weil der Maryth sie so gut kannte. Er konnte ihre Gedanken lesen, selbst in der Finsternis.
Sie konzentrierte sich auf Tamwyn. Gleich darauf blitzte der Galator und warf zitterndes grünes Licht auf den Fels rundum. Da war Tamwyn! Sie beugte sich näher zum Galator und sah aufmerksam hinein.
Tamwyns langes schwarzes Haar wehte hinter ihm her.Obwohl sie nur sein Gesicht sehen konnte, schien er auf etwas zu reiten, etwas, das sich schnell bewegte. Nein, er ritt nicht – er flog. Und er sah glücklich aus, so glücklich, wie sie ihn selten gesehen hatte. Verschwommene Flügel verdeckten ihn eine Sekunde lang, dann veränderte sich das Bild abrupt.
Jetzt sah sie ihn von Weitem, aus so großer Entfernung, dass er nur ein kleiner Fleck in einem hellen Flammenkreis war. Die Sterne! Er war tatsächlich bis zu den Sternen gekommen!
Plötzlich bemerkte sie etwas, das sich ihm von hinten näherte – etwas Riesiges und Bedrohliches. Es kam rasch näher mit seinen großen, dunklen Flügeln – noch dunkler als die Räume zwischen den Sternen. Könnte das ein Drache sein? Dann ahnte sie mit panischer Angst, dass es noch schlimmer war. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Dieser Drache könnte Rhita Gawr sein!
Das Bild schnellte zurück auf Tamwyns Gesicht. Elli konzentrierte den Blick auf ihn und versuchte, ihn irgendwie zu warnen. Doch er wirkte glücklich und schien sich der Gefahr nicht bewusst zu sein. Bestimmt blieben nur noch Sekunden, bis Rhita Gawr angriff.
Ihn warnen! Ich muss ihn irgendwie warnen.
Sie nahm ihre ganze Geisteskraft zusammen und versuchte, ihm ihre Gedanken zu schicken. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie zitterte am ganzen Körper, klarer konnte sie nicht denken, tiefer konnte sie sich nicht sorgen.
Doch er bemerkte nichts. Er wirkte entspannt und heiter – nur die Schönheit der Sterne schien er zu sehen.
»Tamwyn!«, rief sie laut mit brechender Stimme. »Vorsicht!«
Eine halbe Sekunde lang veränderte sich sein Gesicht. Fast schien es, als hätte er etwas gehört –
Das Bild verschwand plötzlich, wurde von wirbelnden Farben überspült. Doch Licht vibrierte weiter im Galator – vielleicht ein Rest des gerade Gesehenen. Es schimmerte schwach und beleuchtete gerade noch die Gesichter der Gefährten in der finsteren Höhle.
Elli war unglücklich. Hatte er ihren Ruf gehört? Hatte sie ihn rechtzeitig gewarnt? Sie wusste es nicht. Wahrscheinlich würde sie es nie erfahren.
Schlimmer, sie fürchtete, dass sie sich Wunschdenken hingab. Wie sollte es möglich sein, dass er sie hörte? Schließlich wusste jeder, dass der Galator noch
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