Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
bist ein läppischer Möchtegernzauberer«, fuhr der Drache fort und senkte die Stimme zu einem donnernden Grollen. »Doch ich bin froh, dass du überlebt hast. Denn es wird ein Vergnügen sein, dich hier und jetzt zu töten.«
Tief in der Leere des Auges erschienen Funken, die sich rasch vereinten. Tamwyn war klar, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, bevor ein schwarzer Blitzstrahl ihn vernichten würde und damit auch jede Hoffnung auf Avalons Rettung.
War er so hoch gestiegen, so weit gereist und hatte so viel ertragen – nur um so zu sterben? In rasendem Tempo erwog er alles, was er tun könnte. Und doch … er sah keine Möglichkeit zu fliegen. Ihm fehlte die Magie zu kämpfen. Er hatte sogar den Stab verloren, seine beste Waffe.
Halt. Das ist nicht meine einzige Waffe!
Gerade als der Blitz im Auge des Drachen aufflammte, bereit, ihn zu treffen, sprang Tamwyn auf die Füße. Im selben Augenblick zog er seinen Dolch aus der Scheide. Die Klinge – vor langer, langer Zeit im versunkenen Fincayra von elf Metallmeistern geschmiedet, mit einer Kraft versehen, die nur dem wahren Erben Merlins dienen konnte, und zum Kampf gegen den Tyrannen Rhita Gawr bestimmt – leuchtete im Sternenschein und zugleich aus einem eigenen tieferen Licht.
Mit einem Schrei, von dem er glaubte, dass es sein letzter sei, holte Tamwyn aus. Gerade bevor der schwarze Blitz ausbrach, stieß er seinen Dolch mitten ins Auge des Drachen.
24
Eine überraschende Wendung
A aaarrrrrchhhh!« Das mächtige Gebrüll des schwarzen Drachen hallte über den Himmel. Der Schrei voll Zorn und Schmerz war so ungeheuer, dass er sich sogar auf das Herz des Pegasus auswirkte. Die sterbenden Flammen des Sterns – alles, was von dem magischen Tor zwischen Avalon und Erde geblieben war – flackerten wie eine Kerze im Wind.
Noch während Rhita Gawr brüllte, fuhr er schnell wie ein himmlischer Mahlstrom herum. Mit ausgestreckten knochigen Flügeln und zusammengerolltem Riesenschwanz drehte er enge Kreise und schwankte von Tamwyns unerwartetem Angriff. Mit seinen riesigen Klauen fuhr er in das verwundete Auge und versuchte erfolglos, die giftige Klinge zu entfernen, die jetzt darin steckte.
Wieder brüllte er, diesmal nur vor Zorn. Wegen diesem hinterhältigen Menschen hatte er das Sehvermögen eines Auges eingebüßt – und etwas ebenso Kostbares, den süßen Genuss der Eroberung. Im Moment spürte er noch nicht einmal die Erregung über seine Pläne, Avalon und die Welten dahinter zu beherrschen. Nein, er spürte nur unermesslichen Zorn auf diesen elenden jungen Zauberer.
Doch Tamwyn war schon weit weg. Sobald sein Dolch sich in das Auge gebohrt hatte, war er von der Drachenschnauze in die Luft gesprungen. Wind zerrte an ihm, während er auf einen dunkelnden Stern zufiel. Er wusste, dass er bald sterben würde, aber wenigstens hatte er zuvor noch einen schmerzhaften Schlag ausgeteilt.
Aber das war nicht genug. Nicht annähernd genug.
Er beschimpfte sich, während er in die Tiefe stürzte. Wenn er doch kein läppischer Möchtegernzauberer wäre. Dann hätte er viel mehr tun können, als nur in ein Auge zu stechen. Er hätte aus eigener Kraft fliegen können! Und mit Rhita Gawr bis auf den Tod kämpfen! Ja – und dabei hätte er möglicherweise alle und alles, woran ihm lag, retten können.
In diesem Moment frischte der Wind auf. Er blies so stark, dass er Tamwyns Tunika aufblähte und sie ihm vom Körper wegzog. Die Fäden rissen und die Tasche ging völlig entzwei.
Da erkannte Tamwyn, dass es nicht der Wind war, was er spürte. Es war keine Kraft, die er kannte. Es war überhaupt nichts, was er sich je vorgestellt hatte.
Es war Flederwisch.
Aber zugleich war es
nicht
Flederwisch. Denn während Tamwyn höchst erstaunt zuschaute, veränderte sich das knochige kleine Geschöpf mit den zerknitterten Flügeln und dem sonderbaren grünen Leuchten. Es wuchs. Es schwoll zu riesiger Größe an.
In wenigen Sekunden wurde aus dem kleinen Kopf mit dem faltigen Gesicht ein riesiges Haupt, die Kiefer warenmit Zähnen besetzt; seine Flügelchen, so dünn wie trockenes Laub, dehnten sich zu breiten und mächtigen Schwingen. Die winzigen trichterförmigen Ohren wuchsen zu Tamwyns Größe heran. Die Mausfüße verwandelten sich in muskulöse Beine mit scharfen Krallen. Der Hals wurde länger, genau wie der Schwanz, der jetzt in einem festen, knochigen Knüppel endete. Und statt des fleckigen Pelzes bedeckten glänzende grüne Schuppen seinen
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