Der Zauber von Savannah Winds
Coleman, der Vorarbeiter, der von derselben Missionsstation wie Sam gekommen war und seine Untergebenen gut behandelte.
Sam warf einen Blick zu den anderen Männern hinüber, die zusahen.
»Kümmere dich nicht um die!«, murmelte Ernie. »Die werden nichts sagen – aber du wärst gut beraten, nach Westen zu gehen«, fügte er hinzu. Sein wettergegerbtes Gesicht war ernst. »Niemand wird vermuten, dass ihr die Richtung einschlagt.«
Sam nickte und packte Djati am Arm, riss ihn aus der lähmenden Starre und zog ihn mit sich, als er zu laufen begann. Ihre Stiefel wirbelten Staub auf. Mrs. Rayner trat gerade auf die Veranda, und ihre Rufe verfolgten die Jungen, während sie über die nächste Weide flohen und unter Bäumen verschwanden.
Sie liefen weiter, bis sie nicht mehr konnten, und wandten sich dann gen Westen – dem großen, unbekannten Land zu, in dem ein Mann Zuflucht finden konnte – oder den Tod.
Sie wanderten wochenlang, stahlen mitten in der Nacht Nahrung auf entlegenen Farmen, tranken aus den klaren, kalten Bächen und Flüssen, von denen die Savanne durchzogen ist, und schliefen, wo es ihnen möglich war. Einen Monat nach ihrer Flucht hatten sie am Horizont eine Reitergruppe bemerkt und sich im Schutz eines Regenwaldes versteckt, bis sie vorbeigezogen war. Doch anscheinend hatte der Trick funktioniert, denn es war klar, dass niemand sie verfolgte.
Als die Sonne gnadenlos vom Himmel brannte und unter ihren Füßen roter Staub aufstieg, erblickten sie einen Pfad vor sich. Er schien in die Unendlichkeit zu führen, wo er sich in der flirrenden Hitze an einem Horizont verlor, der so leer war wie die Bäuche der Jungen. Wenn sie nicht bald etwas zu essen fänden, würden sie sterben.
Sam schaute seinen Begleiter an. Djatis federnder Schritt war länger geworden, seit er die verhassten Stiefel ausgezogen hatte. Mit zufriedener Miene hielt der Aborigine das Gesicht in die Sonne und sog die Düfte der Umgebung ein. Die Peitschenstriemen auf seiner hellbraunen Haut waren noch immer zu sehen, aber er fühlte sich zu Hause und schwelgte in der gefundenen Freiheit.
»Kannst du nicht ein bisschen langsamer gehen, Kumpel?«
Grinsend blieb Djati stehen. »Was ist los, Weißer? Kommst du nicht mit?«
»Wenn ich was Anständiges zu essen hätte, könnt ich es«, sagte Sam. »Ich dachte, ihr Kerle wüsstet, wo man im Busch Nahrung findet? Jetzt könnte ich sogar das Hinterteil einer Beutelratte vertilgen.«
Unter dem wirren rotbraunen Haarschopf, der ihm in die breite Stirn fiel, schaute Djati seinen Freund amüsiert aus hellbraunen Augen an. »Wenn du eine fängst, gern, Kumpel«, sagte er. Das Lächeln verschwand, als er die staubige Baumgruppe betrachtete, in deren Schatten sich riesige Termitenhügel erhoben. »Ich wüsste nicht, wo ich danach suchen sollte«, gestand er. »Die haben mich zu früh verschleppt. Hatte nie die Gelegenheit, etwas zu lernen.«
»Wir beide nicht, Kumpel«, murmelte Sam. Er fuhr sich mit den Fingern durch das staubige Haar und seufzte, als ihn das vertraute Verlustgefühl übermannte. Dieses raue, wilde Land war bereits seit elf Jahren sein Zuhause – die Straßen von London waren nur noch eine verschwommene Erinnerung. Und das Gesicht seiner Mutter ging im Nebel jener Jahre allmählich verloren. Die Abgeschiedenheit dieser Umgebung schien die große Entfernung nur noch zu betonen, die er zurückgelegt hatte, um in diesem Augenblick an diesem Ort zu sein.
Djati nickte mitfühlend, denn auch er hatte eine lange Reise hinter sich. Man hatte ihn seiner Mutter weggenommen, bevor er fünf war, und er besaß an seine Familie keine Erinnerungen, die ihn aufrecht halten könnten. Er wusste nichts von den Gesetzen oder der Lebensweise seines Volkes. Das Einzige, was er aus seiner Vergangenheit wusste, war sein Name – und an den klammerte er sich.
Sie wanderten weiter. Die Gegend war menschenleer, still und knochentrocken. Nur das einsame, traurige Krächzen einer Krähe begleitete sie. Das war das Land der Aborigines. Dennoch war es Djati ebenso fremd wie Sam, aber Sam fragte sich, ob Djati nicht etwas wiedererkenne oder das Gefühl habe, dass seine Vorfahren hier entlanggezogen waren und er eigentlich hierher gehöre. Doch davon war ihm nichts anzumerken.
Im Lauf der Wochen hatten sie jegliches Zeitgefühl verloren, und die Regenzeit erschwerte ihr Fortkommen. Die Pfade waren überflutet, und der Boden hatte sich in Schlamm verwandelt. Sie hatten keine Ahnung, wo sie waren. Als der
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