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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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anderes …«
    »Radamanthys? Mag sein, daß ich ihn beiläufig so nannte. Ich behalte nicht alles, was mein Kopf gelegentlich hervorsprudelt.«
    {297} »Radamanthys, natürlich! Minos und Radamanthys! Auch von Carducci erzählten Sie uns damals gleich …«
    »Erlauben Sie, lieber Freund,
den
wollen wir beiseite lassen.
Der
Name nimmt sich in diesem Augenblick gar zu fremdartig aus in Ihrem Munde!«
    »Auch gut«, lachte Hans Castorp. »Ich habe durch Sie aber doch viel über ihn gelernt. Ja, damals hatte ich keine Ahnung und antwortete Ihnen, ich sei auf drei Wochen gekommen, anders wußte ich’s nicht. Gerade hatte die Kleefeld mich zur Begrüßung mit dem Pneumothorax angepfiffen, davon war ich etwas außer mir. Aber auch febril fühlte ich mich damals gleich, denn die Luft hier ist ja nicht nur gut
gegen
die Krankheit, sie ist auch gut
für
die Krankheit, manchmal bringt sie sie erst zum Ausbruch, und das ist am Ende wohl nötig, wenn Heilung eintreten soll.«
    »Eine bestechende Hypothese. Hat Hofrat Behrens Ihnen auch von der Deutschrussin erzählt, die wir voriges Jahr, – nein: vorvoriges Jahr fünf Monate hier hatten? Nicht? Das hätte er tun sollen. Eine liebenswürdige Dame, deutschrussisch ihrer Abstammung nach, verheiratet, junge Mutter. Sie kam aus dem Osten hierher, lymphatisch, blutarm, es lag auch wohl etwas Ernsthafteres vor. Nun, sie lebt einen Monat hier und klagt, sie fühle sich schlecht. Nur Geduld! Es vergeht ein zweiter Monat, und sie behauptet fortgesetzt, daß es ihr nicht besser, sondern schlechter geht. Ihr wird bedeutet, wie es ihr
gehe
, könne einzig und allein der Arzt beurteilen; sie könne nur angeben, wie sie sich
fühle
, – und daran sei wenig gelegen. Mit ihrer Lunge sei man zufrieden. Gut, sie schweigt, sie macht Kur und verliert allwöchentlich an Gewicht. Im vierten Monat wird sie bei Untersuchungen ohnmächtig. Das schade nichts, erklärt Behrens; mit ihrer Lunge sei er recht wohl zufrieden. Als sie aber im fünften Monat nicht mehr gehen kann, schreibt sie dies ihrem Manne nach Osten, und Behrens bekommt einen Brief von {298} ihm, – es stand ›Persönlich‹ und ›Dringlich‹ darauf in markiger Schrift, ich habe ihn selbst gesehen. Ja, sagt Behrens nun und zuckt die Achseln, es scheine sich ja herauszustellen, daß sie offenbar das Klima hier nicht vertrage. Die Frau war außer sich. Das hätte er ihr doch früher sagen müssen, rief sie, sie habe es immer gefühlt, ganz und gar verdorben habe sie sich! … Wir wollen hoffen, daß sie bei ihrem Mann im Osten wieder zu Kräften gekommen ist.«
    »Ausgezeichnet! Sie erzählen so hübsch, Herr Settembrini, geradezu plastisch ist jedes Ihrer Worte. Auch über die Geschichte mit dem Fräulein, das im See badete, und der man die Stumme Schwester gab, habe ich noch oft im stillen lachen müssen. Ja, was alles vorkommt. Man lernt gewiß nicht aus. Mein eigener Fall liegt übrigens noch ganz im Ungewissen. Der Hofrat will ja eine Kleinigkeit bei mir gefunden haben, – die alten Stellen, wo ich früher schon krank war, ohne es zu wissen, habe ich selbst beim Klopfen gehört, und nun soll auch eine frische hier irgendwo zu hören sein – ha, ›frisch‹ ist übrigens eigentümlich gesagt in diesem Zusammenhang. Aber bis jetzt handelt es sich ja nur um akustische Wahrnehmungen, und die rechte diagnostische Sicherheit werden wir erst haben, wenn ich wieder auf bin und die Durchleuchtung und photographische Aufnahme stattgefunden hat. Dann werden wir positiv Bescheid wissen.«
    »Meinen Sie? – Wissen Sie, daß die photographische Platte oft Flecken zeigt, die man für Kavernen hält, während sie bloß Schatten sind, und daß sie da,
wo
etwas ist, zuweilen
keine Flecken
zeigt? Madonna, die photographische Platte! Hier war ein junger Numismatiker, der fieberte; und da er fieberte, sah man deutlich Kavernen auf der photographischen Platte. Man wollte sie sogar gehört haben! Er wurde auf Phthisis behandelt, und darüber starb er. Die Obduktion lehrte, daß seiner Lunge nichts fehlte, und daß er an irgendwelchen Kokken gestorben war.«
    {299} »Nun, hören Sie, Herr Settembrini, gleich von Obduktion reden Sie! Soweit ist es mit mir denn doch wohl noch nicht.«
    »Ingenieur, Sie sind ein Schalk.«
    »Und Sie sind durch und durch ein Kritiker und Zweifler, das muß man sagen! Nicht einmal an die exakte Wissenschaft glauben Sie. Zeigt denn bei
Ihnen
die Platte Flecken?«
    »Ja, sie zeigt welche.«
    »Und sind Sie

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