Der Zauberberg
schämen, – nicht mit Unrecht, denn den atheistischen Republikanismus als Mysterium einzukleiden, wäre am Ende wirklich ungereimt. Ich weiß nicht, mit welchen Schrecknissen man Herrn Settembrinis Standhaftigkeit auf die Probe gestellt hat, – ob man ihn mit verbundenen Augen durch allerlei Gänge geführt und ihn in finsteren Gewölben hat warten lassen, bevor der von gespiegeltem Licht erfüllte Bundessaal sich ihm auftat. Ob man ihn feierlich katechisiert und angesichts eines Totenkopfes und dreier Lichter seine entblößte Brust mit Schwertern bedroht hat. Sie müssen ihn selber fragen, aber ich fürchte, Sie werden ihn wenig gesprächig finden, denn sollte es auch viel bürgerlicher dabei zugegangen sein, auf jeden Fall hat er Verschwiegenheit geloben müssen.«
»Geloben? Verschwiegenheit? Also doch?«
»Gewiß. Verschwiegenheit und Gehorsam.«
»Auch noch Gehorsam. Hören Sie, Professor, jetzt kommt mir vor, als ob er gar nicht Ursache hätte, sich über Schwärmerei und Terrorismus im Stande meines Vetters aufzuhalten. Verschwiegenheit und Gehorsam! Nie hätte ich gedacht, daß ein so freisinniger Mann wie Settembrini sich so ausgemacht spanischen Bedingungen und Gelöbnissen unterwerfen könnte. Ich spüre da geradezu was Militärisch-Jesuitisches in der Freimaurerei …«
{767} »Sie spüren ganz richtig«, erwiderte Naphta. »Ihre Wünschelrute zuckt und klopft auf. Die Idee des Bundes überhaupt ist untrennbar und schon in der Wurzel verbunden mit der des Unbedingten. Folglich ist sie terroristisch, das heißt: antiliberal. Sie entlastet das individuelle Gewissen und heiligt im Namen des absoluten Zweckes jedes Mittel, auch das blutige, auch das Verbrechen. Man hat Anhaltspunkte, daß auch in Maurerlogen ehemals der Bruderbund symbolisch mit Blut besiegelt wurde. Ein Bund ist niemals etwas Beschauliches, sondern immer und seinem Wesen nach etwas in absolutem Geist Organisatorisches. Sie wissen nicht, daß der Gründer des Illuminatenordens, der eine Zeitlang mit der Maurerei beinahe verschmolz, ein ehemaliger Angehöriger der Gesellschaft Jesu war?«
»Nein, das ist mir natürlich neu.«
»Adam Weishaupt organisierte seinen humanitären Geheimbund ganz nach dem Muster des Jesuitenordens durch. Er selbst war Maurer, und die angesehensten Logenmänner der Zeit waren Illuminaten. Ich spreche von der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, die Settembrini nicht zögern wird, Ihnen als eine Zeit der Verderbnis seiner Gilde zu kennzeichnen. In Wirklichkeit war sie die ihrer Hochblüte, wie des ganzen geheimen Bundeswesens überhaupt, die Zeit, wo die Maurerei wahrhaft höheres Leben gewann, ein Leben, von dem sie später durch Leute vom Schlage unseres Menschheitsfreundes wieder gereinigt wurde, der damals unbedingt zu denen gehört hätte, die ihr Jesuitismus und Obskurantismus zum Vorwurf machten.«
»Und dafür gab es Gründe?«
»Ja, – wenn Sie wollen. Die triviale Freigeisterei hatte Gründe dafür. Es war die Zeit, wo unsere Väter den Bund mit katholisch-hierarchischem Leben zu erfüllen suchten, und wo zu Clermont in Frankreich eine jesuitische Freimaurerloge blüh {768} te. Es war ferner die Zeit, wo das Rosenkreuzertum in die Logen eindrang, – eine sehr merkwürdige Brüderschaft, von der Sie sich merken dürfen, daß sie rein rationale politisch-gesellschaftliche Verbesserungs- und Beglückungsziele mit eigentümlichen Beziehungen zum Geheimwissen des Ostens, zu indischer und arabischer Weisheit und magischer Naturerkenntnis verband. Damals vollzog sich die Reform und Berichtigung vieler Freimaurerlogen im Sinne der strikten Observanz, – einem ausgesprochen irrationalen und geheimnisvollen, magisch-alchimistischen Sinn, dem die schottischen Hochgrade des Maurertums ihr Dasein verdanken, – Ordensrittergrade, die man der alten militärischen Rangstufenordnung von Lehrling, Geselle und Meister hinzufügte, Großmeistergrade, die ins Hieratische führten und von rosenkreuzerischem Geheimwissen erfüllt waren. Es handelt sich da um ein Zurückgreifen auf gewisse geistliche Ritterorden des Mittelalters, die Templer insbesondere, Sie wissen, die vor dem Patriarchen von Jerusalem das Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegten. Noch heute führt ein Hochgrad der Freimaurerhierarchie den Titel ›Großfürst von Jerusalem‹.«
»Mir neu, mir alles ganz neu, Herr Naphta. Ich komme da unserem Settembrini auf Schliche … ›Großfürst von Jerusalem‹ ist
Weitere Kostenlose Bücher