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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gegenstandes zu reden. Die Gruft, das Grab war immer das hauptsächliche Sinnbild der Bundesweihe. Der Lehrling, der zum Wissen Einlaß begehrende Grünling, hat unter ihren Schaudern seine Unerschrockenheit zu bewähren, der Ordensbrauch will, daß er probeweise in sie hinabgeführt wird, und in ihr verweilen muß, um dann an unbekannter Bruderhand daraus hervorzugehen. Daher die verworrenen Gänge und finsteren Gewölbe, durch die der Novize zu wandern hatte, das schwarze Tuch, womit selbst der Bundessaal der Strikten Observanz ausgeschlagen war, der Kultus des Sarges, der bei dem Einweihungs- und Versammlungszeremoniell eine so wichtige Rolle spielte. Der Weg der Mysterien und der Läuterung war von Gefahren umlagert, er führte durch Todesbangen, durch das Reich der Verwesung, und der Lehrling, der Neophyt, ist die nach den Wundern des Lebens begierige, nach Erweckung zu dämonischer Erlebnisfähigkeit verlangende Jugend, geführt von Vermummten, die nur Schatten des Geheimnisses sind.«
    »Ich danke sehr, Professor Naphta. Vorzüglich. Das wäre also die hermetische Pädagogik. Es kann nicht schaden, daß mir auch von ihr mal etwas zu Ohren gekommen ist.«
    »Um so weniger, als es sich da um eine Führung zum Letzten handelt, zum absoluten Bekenntnis des Übersinnlichen und damit zum Ziele. Die alchimistische Logenobservanz hat viele edle, suchende Geister in späteren Jahrzehnten zu diesem Ziele geführt, – ich muß es nicht nennen, denn es kann Ihnen nicht entgangen sein, daß die Rangstufenfolge der schottischen Hochgrade nur ein Surrogat ist der Hierarchie, daß die alchimistische Weisheit des Meister-Maurers sich im Mysterium der Wandlung erfüllt, und daß die geheime Führung, die die Loge {772} ihren Zöglingen angedeihen ließ, sich ebenso deutlich in den Gnadenmitteln wiederfindet, wie die sinnbildlichen Spielereien des Bundeszeremoniells in der liturgischen und baulichen Symbolik unserer heiligen katholischen Kirche.«
    »Ach so!«
    »Ich bitte, auch das ist noch nicht alles. Ich erlaubte mir schon anzudeuten, daß die Ableitung des Logenwesens aus jenen handwerkerlich ehrsamen Maurergilden nur eine historische Veräußerlichung ist. Die Strikte Observanz wenigstens verlieh ihr weit tiefere menschliche Fundamente. Das Geheimnis der Logen hat mit gewissen Mysterien unserer Kirche die deutliche Beziehung gemeinsam zu festlichen Verschwiegenheiten und heiligen Ausschweifungen der frühesten Menschheit … Ich habe, was die Kirche betrifft, das Nacht- und Liebesmahl im Auge, den sakramentalen Genuß von Leib und Blut, in Dingen der Loge aber –«
    »Einen Augenblick. Einen Augenblick für eine Randbemerkung. Es gibt auch in dem unbedingten Bundesleben, dem mein Vetter angehört, sogenannte Liebesmahle. Er hat mir oft davon geschrieben. Natürlich geht es bis auf ein bißchen Betrunkenheit sehr anständig dabei zu, nicht mal so stark wie bei den Korpskneipen …«
    »In Dingen der Loge aber den Gruft- und Sargeskult, auf den ich vorhin Ihre Aufmerksamkeit lenkte. In beiden Fällen handelt es sich um eine Symbolik des Letzten und Äußersten, um Elemente orgiastischer Urreligiosität, gelöste und nächtliche Opferdienste zu Ehren von Sterben und Werden, Tod, Verwandlung und Auferstehung … Sie erinnern sich, daß die Mysterien der Isis sowohl wie die von Eleusis bei Nacht und in finsteren Höhlen begangen wurden. Nun, der ägyptischen Erinnerungen gab und gibt es im Maurerwesen eine Menge, und unter den geheimen Gesellschaften waren solche, die sich eleusinische Bünde nannten. Es gab da Logenfeste, Feste der eleu {773} sischen Mysterien und der aphrodisischen Geheimnisse, bei denen denn endlich doch die Frau ins Spiel trat, – Rosenfeste, auf die jene drei blauen Rosen der Maurerschürze anspielten, und die, wie es scheint, ins Bacchantische auszulaufen pflegten …«
    »Nun, nun, was hör’ ich, Professor Naphta. Und all das ist Freimaurerei? Und mit alldem soll ich in meiner Vorstellung unseren klargesinnten Herrn Settembrini …«
    »Sie täten ihm schweres Unrecht! Nein, von alldem weiß Settembrini durchaus nichts mehr. Ich sagte Ihnen ja, daß die Loge durch seinesgleichen von allen Elementen höheren Lebens wieder gereinigt worden ist. Sie hat sich humanisiert, modernisiert, du lieber Gott. Sie ist aus solchen Verirrungen zum Nutzen, zur Vernunft und zum Fortschritt, zum Kampf gegen Fürsten und Pfaffen, kurzum zu gesellschaftlicher Beglückung zurückgekehrt; man unterhält sich dort

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