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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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stirnfaltigem Erstaunen und undeutlich-spöttischen Abgerissenheiten begleiten konnte. Allein selbst unter diesen Umständen übte es seinen Druck, beschattete das Gespräch, so daß es an Glanz zu verlieren schien, entweste es auf irgendeine Weise, setzte ihm, allen fühlbar, wenn auch seinerseits sicherlich unbewußt, oder Gott weiß in welchem Grade bewußt, etwas entgegen, was keiner der beiden Sachen zugute kam und wodurch der Zwist in seiner entscheidenden Wichtigkeit verblaßte, ja ihm – wir nehmen Anstand, es zu sagen – der Stempel des Müßigen aufgedrückt wurde. Oder, anders versucht: die witzige Fehde auf Leben und Tod nahm heimlich, auf unterirdische und unbestimmte Weise, beständig Bezug auf das ihr zur Seite wandelnde Format und entnervte sich an diesem Magnetismus. Anders war dieser geheimnisvolle und für die Disputanten sehr ärgerliche Vorgang nicht zu kennzeichnen. Man kann nur sagen, daß es, wenn kein Pieter Peeperkorn gewesen wäre, zur Parteinahme weit strenger verpflichtet hätte, wie beispielsweise Leo Naphta das erz- und grundrevolutionäre Wesen der Kirche gegen die Lehrmeinung Herrn Settembrinis verteidigte, welcher in dieser geschichtlichen Macht einzig die Schutzherrin finsterer Beharrung und {888} Erhaltung erblicken und alle zur Umwälzung und Erneuerung bereite Lebens- und Zukunftsfreundlichkeit an die entgegengesetzten, einer ruhmreichen Epoche der Wiedergeburt antiker Bildung entstammenden Prinzipien der Aufhellung, der Wissenschaft und des Fortschritts gebunden wissen wollte und auf diesem Bekenntnis mit schönstem Wurf des Wortes und der Gebärde bestand. Da machte denn Naphta, kalt und scharf, sich anheischig, zu zeigen – und zeigte es auch fast bis zu blendender Unwidersprechlichkeit –, daß die Kirche als Verkörperung der religiös-asketischen Idee, im Innersten weit entfernt, Parteigängerin und Stütze dessen zu sein, was bestehen wolle, der weltlichen Bildung also, der staatlichen Rechtsordnungen, – vielmehr von jeher den radikalsten, den Umsturz mit Stumpf und Stiel auf ihre Fahne geschrieben habe; daß schlechthin alles, was sich bewahrenswert dünke und von den Matten, den Feigen, den Konservativen, den Bürgern zu bewahren versucht werde: Staat und Familie, weltliche Kunst und Wissenschaft – sich immer nur in bewußtem oder unbewußtem Widerspruch zur religiösen Idee gehalten habe, zur Kirche, deren eingeborene Tendenz und unverbrüchliches Ziel die Auflösung aller bestehenden weltlichen Ordnungen und die Neugestaltung der Gesellschaft nach dem Vorbilde des idealen, des kommunistischen Gottesstaates sei.
    Das Wort hatte danach Herr Settembrini, und beim Himmel! er wußte etwas damit anzufangen. Eine solche Verwechslung des luziferischen Revolutionsgedankens mit der Generalrevolte aller schlechten Instinkte, sagte er, sei beklagenswert. Die Neuerungsliebe der Kirche habe durch die Jahrhunderte darin bestanden, den lebenzeugenden Gedanken zu inquirieren, zu erdrosseln, im Rauch ihrer Scheiterhaufen zu ersticken, und heute lasse sie sich durch ihre Emissäre für umwälzungsfroh erklären, mit der Begründung, ihr Ziel sei es, Freiheit, Bildung und Demokratie durch Pöbeldiktatur und Barbarei zu {889} ersetzen. Eh, in der Tat, eine schauerliche Art widerspruchsvoller Konsequenz, konsequenten Widerspruches …
    An dergleichen Widerspruch und Folgerichtigkeit, entgegnete Naphta, lasse sein Gegner es nicht fehlen. Demokrat seiner eigenen Schätzung nach, äußere er sich wenig volks- und gleichheitsfreundlich, lege vielmehr eine sträfliche aristokratische Hochnäsigkeit zutage, indem er das zu stellvertretender Diktatur berufene Weltproletariat als Pöbel bezeichne. Aber als Demokrat, in Wahrheit, verhalte er sich offenbar zur Kirche, die allerdings, man müsse es auf stolze Art einräumen, die vornehmste Macht der Menschheitsgeschichte darstelle, – vornehm im letzten und höchsten Verstande, in dem des Geistes. Denn der asketische Geist, – wenn es erlaubt sei, in Pleonasmen zu reden – der Geist der Weltverneinung und Weltvernichtung sei die Vornehmheit selbst, das aristokratische Prinzip in Reinkultur; er könne niemals volkstümlich sein, und zu allen Zeiten sei die Kirche im Grunde unpopulär gewesen. Ein wenig literarische Bemühung um die Kultur des Mittelalters werde Herrn Settembrini dieser Tatsache ansichtig machen, – der derben Abneigung, die das Volk – und zwar das Volk im weitesten Sinne – dem kirchlichen Wesen

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