Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gefährliche Frau.
»Was…« begann Rincewind.
»Sei still!« zischte Conina. »Jemand nähert sich.«
Mit einer fließenden Bewegung richtete sie sich auf, wirbelte herum und schleuderte das Messer.
Irgend etwas pochte leise.
Cohens Tochter verharrte und riß die Augen auf. Diesmal reagierten ihre Heldengene, die eine Zukunft in modischen Frisiersalons ablehnten, mit ausgesprochener Verblüffung.
»Ich habe gerade eine hölzerne Kiste umgebracht«, sagte Conina. Rincewind beugte sich vor und sah um die Ecke.
Truhe stand auf den nassen Kopfsteinen, und das Messer zitterte noch immer im Deckel. Sie sah erst Conina an, und ihre Füße trippelten in einem komplexen Tangomuster, als sie den Blick auf Rincewind richtete.
Natürlich hatte Truhe gar kein Gesicht, nur ein Schloß und mehrere Scharniere, aber sie starrte besser als ein alter Leguan. In dieser Hinsicht konnte sie es sogar mit den Glasaugen einer Statue aufnehmen. Wenn sie sich auf einen Wettstreit einließ, in dem es darum ging, verletzten Stolz zum Ausdruck zu bringen, gab der durchschnittliche getretene Spaniel sofort auf und schlich in seine Hundehütte zurück.
Rincewind bemerkte mehrere Pfeilspitzen und gebrochene Schwertklingen im Holz.
»Was ist das?« fragte Conina.
»Truhe«, erwiderte Rincewind und rollte mit den Augen.
»Gehört sie dir?«
    »Eigentlich nicht. Nur in gewisser Weise.«
    »Ist sie gefährlich?«
Truhe drehte sich langsam um und sah wieder die junge Frau an. »In diesem Zusammenhang gibt es zwei verschiedene Standpunkte«, sagte Rincewind. »Manche Leute halten sie für gefährlich, während andere glauben, sie sei sehr gefährlich. Was meinst du?«
Truhe hob ihre Klappe einen Spaltbreit.
Sie bestand aus dem Holz eines intelligenten Birnbaums. Intelligente Birnbäume sind derart magische Pflanzen, daß sie auf der Scheibenwelt fast ausstarben und nur in wenigen Regionen überlebten. Man stelle sie sich als eine Mischung aus Oleander und Weidenröschen vor, die jedoch nicht in Bombenkratern gedeiht, sondern dort, wo sich starke magische Kräfte entfalteten. Für gewöhnlich benutzt man das Holz, um Zauberstäbe daraus herzustellen, und jemand erlaubte sich einen Scherz, indem er es für eine Gepäckkiste verwendete.
Zu Truhes magischen Fähigkeiten gehörte eine ebenso schlichte wie entnervende Eigenschaft: Sie folgte demjenigen, den sie als Eigentümer erachtete, auf Schritt und Tritt. Es spielte dabei keine Rolle, in welchen Dimensionen, Ländern, Universen oder Zeitepochen sich der Betreffende aufhielt. Auf ›Schritt und Tritt‹ bedeutete überallhin. Man wurde die Truhe ebenso schwer los wie den Katzenjammer nach einem einwöchigen Gelage.
Darüber hinaus nahm sie ihrem Besitzer gegenüber eine außerordentlich beschützende Haltung ein. Es ist nicht leicht, dem Rest der Schöpfung ihr allgemeines Gebaren zu beschreiben: Man sollte vielleicht mit dem Ausdruck ›sture Boshaftigkeit‹ beginnen und anschließend nach geeigneten Synonymen suchen.
Conina blickte auf die Klappe hinab und verglich sie mit einem Rachen.
»Mir erscheint die Bezeichnung ›extrem gefährlich‹ angemessen«, antwortete sie schließlich.
»Truhe mag Bratkartoffeln«, sagte Rincewind und fügte hinzu: »Besser gesagt: Sie ißt Bratkartoffeln.«
    »Und Menschen?«
    »O ja, sie verschmäht nie einen Leckerbissen. Bisher hat sie rund fünfzehn Personen verschlungen, wenn ich richtig mitgezählt habe.«
    »Waren sie gut oder böse?«
    »Einfach nur tot, glaube ich. Übrigens kümmert sich Truhe auch um die schmutzige Wäsche. Man legt die Sachen einfach hinein und nimmt sie später gewaschen und gebügelt heraus.«
    »Was ist mit Blutflecken?«
    »Da du mich darauf ansprichst…« begann Rincewind. »Eine komische Sache.«
    »Was hältst du für komisch?« erkundigte sich Conina und behielt Truhe im Auge.
»Nun, das Innere ist nicht immer gleich. Es weist eine multidimensionale Struktur auf und…«
    »Mit welcher Einstellung begegnet sie Frauen?«
    »Oh, sie ist nicht wählerisch. Im vergangenen Jahr verspeiste Truhe ein Zauberbuch. Sie schmollte drei Tage lang und spuckte es dann wieder aus.«
    »Schrecklich«, sagte Conina und wich zurück.
»In der Tat«, bestätigte Rincewind. »Da hast du vollkommen recht.«
    »Ich meine die Art und Weise, wie sie einen anstarrt!«
    »Sie kann ziemlich gut starren, nicht wahr?«
Wir müssen nach Klatsch reisen, tönte eine Stimme aus der Hutschachtel.
Eins der Schiffe dort drüben wäre geeignet. Geh an Bord.
Rincewind

Weitere Kostenlose Bücher