Der Zauberhut
sich an die verzierte Brüstung und beobachtete das magische Chaos im Saal. Aus einem Reflex heraus tasteten seine Hände nach dem Tabaksbeutel – und verharrten, bevor sie ihn berührten. Der alte Thaumaturge lächelte und schnippte mit den Fingern. Eine brennende Zigarre erschien zwischen seinen Lippen.
»Dazu war ich schon seit Jahren nicht mehr in der Lage«, überlegte er laut. »Große Veränderungen werfen ihr, äh, Licht voraus. Unsere Kollegen dort unten haben es noch nicht begriffen, aber dies ist das Ende von Kategorierungsebenen und -stufen. Wir mußten ein solches System schaffen, um die magischen Energien zu… zu rationalisieren. Jetzt stehen sie uns im Übermaß zur Verfügung.« Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Wo ist der Junge?«
»Er schläft noch…«, begann Spelzdinkel.
»Ich bin hier«, sagte Münze.
Er stand im Tor, der zu den Unterkünften der Seniorzauberer führte, und in der rechten Hand hielt er den aus Oktiron bestehenden Stab, der ihn um mehr als einen Meter überragte. Dünne, netzartige Linien aus gelbem Feuer tanzten über das schwarze Metall. Es war so dunkel, daß der Zauberstab wie ein Riß im Gefüge der Welt wirkte.
Spelzdinkel spürte, wie sich der goldene Blick des Knaben in sein Bewußtsein brannte, alle Gedanken erfaßte und sie an die Rückwand seines Schädels projizierte.
»Ah«, sagte er und versuchte, möglichst freundlich und onkelhaft zu sprechen. Es klang wie ein heiseres, rauhes Todesröcheln. Nach einem solchen Anfang konnte es nur noch schlimmer werden, und Spelzdinkel hörte seine Befürchtungen bestätigt, als er hinzufügte: »Wie ich sehe, bist du schon, hm, auf.«
»Mein lieber Junge«, intonierte Krempel.
Münze bedachte ihn mit einem kalten, durchdringenden Blick.
»Ich habe dich gestern abend gesehen«, sagte er. »Kennst du alle Geheimnisse der Magie?«
»Nur einige«, erwiderte Krempel, der sofort begriff, worauf der Junge hinauswollte. Voller Unbehagen erinnerte er sich an Billias und Virrid Festschmaus. »Ich bin gewiß nicht annähernd so mächtig wie du.«
»Werde ich zum Erzkanzler ernannt, wie es meine Bestimmung ist?«
»Oh, natürlich«, versicherte Krempel. »Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Darf ich mir deinen Stab ansehen? Die Zeichen darauf bilden höchst interessante Muster…«
Er streckte eine fleischige Hand aus.
Und damit offenbarte er ein in jeder Hinsicht empörendes Verhalten. Normalerweise kam es keinem Zauberer in den Sinn, den Stab eines Kollegen ohne dessen ausdrückliche Genehmigung zu berühren. Aber es gibt eben Leute, die sich nicht dazu durchringen können, in Kindern vollwertige Menschen zu sehen, und aus diesem Grund glauben sie, man brauche ihnen gegenüber keine guten Manieren zu zeigen.
Krempels Finger schlossen sich um den schwarzen Zauberstab.
Es ertönte ein Geräusch, das Spelzdinkel nicht im eigentlichen Sinne hörte, sondern eher fühlte. Einen Augenblick später sauste Krempel von der Brüstung fort und prallte an die Wand. Es klang so, als ließe jemand einen Sack Schweineschmalz fallen.
»Versuch nie wieder, meinen Stab anzufassen«, sagte Münze. Er drehte sich um und sah durch den bleichen Spelzdinkel hindurch. »Hilf ihm auf. Wahrscheinlich ist er nicht schwer verletzt.«
Der Quästor eilte zur Mauer und beugte sich über Krempel, der asthmatisch keuchte. Seine Wangen glühten in einem sonderbaren Ton. Spelzdinkel klopfte ihm auf die Hand, bis er schließlich die Augen öffnete.
»Hast du gesehen, was geschehen ist?« fragte Krempel.
»Ich bin mir nicht, hm, sicher«, hauchte der Quästor. »Was ist geschehen?«
»Das Ding hat mich gebissen.«
»Wenn du den Stab noch einmal berührst, wirst du sterben«, sagte Münze ruhig. »Ist das klar?«
Krempel hob vorsichtig den Kopf, aus Furcht, er könne ihm von den Schultern fallen.
»Völlig«, erwiderte er.
»Und jetzt möchte ich mir gern die Universität ansehen«, fügte der Junge hinzu. »Ich habe viel von ihr gehört…«
Spelzdinkel half Krempel auf die Beine und stützte ihn, als sie dem Knaben gehorsam folgten.
»Hüte dich vor dem Stab«, murmelte Krempel.
»Dazu bin ich, hm, fest entschlossen«, entgegnete Spelzdinkel. »Wie hat es sich angefühlt?«
»Bist du jemals von einer Schlange gebissen worden?«
»Nein.«
»In dem Fall weißt du genau, wie es sich anfühlte.«
»Hmm?«
»Es war nicht wie ein Schlangenbiß.«
Sie eilten dem Jungen nach, der einige Stufen hinter sich brachte und die Tür des Großen Saals
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