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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Zauberer.«
    »Was?«
    »Es ist nicht meine Schuld.«
Dünne Verwirrungsfalten bildeten sich in Rincewinds Stirn. »Habe ich das richtig verstanden? Dein Vater ist wirklich Cohen der Barbar?« »Ja.« Die junge Frau schob trotzig das Kinn vor. »Jeder hat einen Vater«, sagte sie. »Selbst du, nehme ich an.«
Sie spähte um eine Ecke.
»Alles klar. Komm!« Als sie über feuchtes Kopfsteinpflaster schritten, fügte sie hinzu: »Vermutlich war dein Vater ein Zauberer.«
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Rincewind. »Zauberei und Familie sind zwei Dinge, die sich angeblich nicht miteinander vertragen.« Er zögerte. Er kannte Cohen, war zu einer seiner Hochzeiten eingeladen worden, als der Barbar ein Mädchen in Coninas Alter heiratete. Nun, man konnte viel über Cohen sagen, aber eins stand fest: Er verstand es zu leben. »Viele Leute würden gern so sein wie Cohen. Ich meine, er war der beste Kämpfer, der geschickteste Dieb, der…«
    »Viele Männer träumen davon, in seine sprichwörtlichen Fußstapfen zu treten«, warf Conina scharf ein. Sie lehnte sich an eine Mauer und musterte ihn finster.
»Es gibt ein langes Wort, das alles genau beschreibt«, behauptete sie.
»Eine Hexe nannte es mir. Leider hab ich’s vergessen…: Ihr Zauberer kennt euch doch mit langen Wörtern aus, nicht wahr?«
Rincewind öffnete die untersten Schubladen seines Gedächtnisses, strich mentale Spinnweben beiseite und suchte nach möglichst langen Wörtern. »Marmelade?« sagte er schließlich.
Conina schüttelte verärgert den Kopf. »Es bedeutet, daß man den Eltern nachschlägt.«
Rincewind runzelte die Stirn. Was Eltern betraf, waren seine Kenntnisse eher begrenzt.
»Kleptomanie?« fragte er vorsichtig. »Rückfälligkeit?«
    »Es beginnt mit einem V.«
    »Verzweiflung?«
Conina schnippte mit den Fingern. »Värärbung«, sagte sie triumphierend. »Die Hexe erklärte mir, was es damit auf sich hat. Meine Mutter tanzte im Tempel irgendeines irren Gottes, und mein Vater rettete sie, und… Sie blieben eine Zeitlang zusammen. Es heißt, Figur und Aussehen habe ich von meiner Mama.«
    »Und daran gibt es absolut nichts auszusetzen«, kommentierte Rincewind mit hoffnungsvoller Galanterie.
Conina errötete. »Ja, nun, äh, mag sein. Aber von meinem Paps habe ich Sehnen, mit denen man ein großes Schiff vertäuen könnte. Hinzu kommen die Reflexe einer Schlange, die auf heißes Blech gerät: Ständig gerate ich in Versuchung, irgendwelche Dinge zu stehlen, und wenn ich einem Fremden begegne, verspüre ich oft den Wunsch, ihm aus einer Entfernung von dreißig Metern einen Dolch ins linke Auge zu werfen.
Wozu ich durchaus in der Lage wäre«, sagte sie stolz.
»Donnerwetter!«
    »Deshalb neigen Männer dazu, mir aus dem Weg zu gehen.«
    »Kann ich mir denken«, murmelte Rincewind voller Mitgefühl. »Ich meine, wenn sie herausfinden, wer ich bin, machen sie sich in den meisten Fällen aus dem Staub. Unter solchen Umständen ist es sehr schwer, einen Freund zu behalten.«
    »Es sei denn, du hältst ihn am Hals fest.«
    »Derartige Eigenschaften sind eher hinderlich, wenn man auf eine feste Beziehung Wert legt.«
    »Ja, da hast du sicher recht«, pflichtete Rincewind bei. »Aber sie wären eine ideale Voraussetzung, wenn man ein berühmter Barbarendieb werden möchte.«
    »Das ist mein zweites Problem«, gestand Conina ein. »Mir steht eher der Sinn danach, anderen Leuten die Haare zu schneiden.«
    »Oh.«
Eine Zeitlang starrten sie in den Nebel.
»Du meinst wirklich Haare und keine Kehlen?« fragte Rincewind zaghaft.
Conina seufzte.
»Ich fürchte, als Barbarenfriseuse bekommt man kaum Gelegenheit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, sagte Rincewind. »Ich meine, niemand möchte einen Haarschnitt samt Enthauptung.«
    »Ach, jedesmal wenn ich ein Maniküre-Etui sehe, kann ich kaum der Versuchung widerstehen, einen doppelhändigen Nagelreiniger zur Hand zu nehmen«, sagte Conina. »Man bezeichnet solche Gegenstände auch als Breitschwerter.«
Diesmal seufzte Rincewind. »Ich weiß, wie du dich fühlst«, murmelte er. »Ich wollte immer ein Zauberer sein.«
    »Aber du bist doch Zauberer.«
    »Nun, äh, ja, in gewisser Weise, aber…«
    »Pscht!«
Rincewind wurde an die Wand geschleudert, und eine einsame Nebelschwade freute sich über die unerwartete Gesellschaft, kondensierte an seinem Nacken. Conina hielt plötzlich ein breites Wurfmesser in der Hand und duckte sich wie ein gefährliches Tier. Oder schlimmer noch: wie eine

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