Der Zauberhut
Münze. »Natürlich. Die Hüte und Umhänge.«
Diesen Worten schloß sich eine bedrückende und nachdenkliche Stille an.
»Ich habe den Eindruck, daß Zauberer nur über Zauberer herrschen«, fügte der Knabe hinzu. »Wer regiert in der Realität jenseits aller Universitätsmauern?«
»Der Patrizier Lord Vetinari, soweit es die Stadt betrifft«, sagte Krempel vorsichtig.
»Ist er ein fairer und gerechter Herrscher?«
Krempel überlegte. Es hieß, der Patrizier verfüge über ein ausgezeichnet funktionierendes Spionagenetz. »Nun«, begann er behutsam, »ich würde sagen, er ist unfair und ungerecht, gleichzeitig jedoch völlig unparteiisch. Mit anderen Worten: Seine unfaire Ungerechtigkeit gilt allen Untertanen, wobei er keine Ausnahme macht.«
»Bist du damit zufrieden?« erkundigte sich Münze.
Krempel mied Schmollwinkels Blick.
»Es geht nicht darum, zufrieden oder unzufrieden zu sein«, antwortete er. »Ich schätze, wir haben bisher nur wenige Gedanken daran verschwendet. Weißt du, die wahre Berufung eines Zauberers…«
»Stimmt es wirklich, daß den Weisen gar keine andere Wahl bleibt, als sich einer solchen Herrschaft zu unterwerfen?«
Krempel schnitt eine Grimasse. »Was für ein Unsinn! Natürlich nicht! Wir nehmen die gegenwärtige Situation einfach nur hin. Wenn du größer wirst, kommst du sicher irgendwann zu dem Schluß, daß Weisheit in erster Linie bedeutet, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten…«
»Wo wohnt der Patrizier?« fragte Münze. »Ich würde ihn gern kennenlernen.«
»Ein Treffen läßt sich bestimmt arrangieren«, erwiderte Krempel. »Der Patrizier ist immer bereit, Zauberern eine Audienz zu gewähren…«
»Jetzt werde ich ihm eine Audienz gewähren«, sagte der Knabe. »Er soll erfahren, daß die Zauberer lange genug auf den richtigen Zeitpunkt gewartet haben. Tretet bitte ein wenig zurück.« Er hob den Stab.
D er gegenwärtige Herrscher über die große Zwillingsstadt Ankh-Morpork saß in einem Sessel vor den Stufen der Treppe, die zum Thron emporführte. Er las in so geheimen Geheimdienstberichten, daß der Code noch einmal codiert worden war. Was den Thron weiter oben betraf… Seit zweitausend Jahren hatte niemand mehr auf ihm gesessen, seit dem Tod des letzten Königs von Ankh. Legenden behaupteten, eines Tages bekomme die Stadt einen neuen König, und bei den entsprechenden Prophezeiungen fanden legendentypische magische Schwerter, Muttermale in Form von Erdbeeren und dergleichen mehr Erwähnung.
Derzeit bestand die einzige erforderliche Qualifikation darin, nach der Offenbarung solcher Identifikationsmerkmale länger als fünf Minuten zu überleben. Der Grund? Die einflußreichen Kaufmannsfamilien von Ankh regierten schon seit zwanzig Jahrhunderten über die Stadt und klebten ebenso sehr an ihrer Macht wie eine Napfschnecke an ihrem Stein.
Der derzeitige Patrizier (Oberhaupt der unerhört reichen und mächtigen Vetinari-Familie) war dünn, hochgewachsen und stand in dem Ruf, ebenso kaltblütig zu sein wie ein toter Pinguin. Wenn man ihn ansah, hielt man ihn für jene Art von Mann, der eine weiße Katze streichelt, während er irgendwelche Leute dazu verurteilt, in einem Piranha-Aquarium zu sterben. Er schien auch fähig zu sein, erlesenes Porzellan zu sammeln und seine Kunstwerke zu bewundern, während gräßliche Schreie aus nahen Folterkammern drangen. Von solchen Personen erwartet man unwillkürlich, daß sie dünne Lippen haben und Wörter wie exquisit benutzen, und falls sie einmal zwinkern, so ist das Grund genug, den Tag im Kalender anzukreuzen.
Erstaunlich, wie sehr der erste Eindruck täuschen kann, nicht wahr? Obige Beschreibungen treffen in keiner Weise auf den Patrizier zu, obwohl hier darauf hingewiesen werden soll, daß er einen kleinen und bereits recht alten Terrier namens Wuffel hatte, der schlecht roch und Fremde anschnaufte – angeblich das einzige Wesen auf der ganzen Scheibenwelt, das Mitgefühl in dem Patrizier weckte. Natürlich ließ er manchmal Bewohner der Stadt oder unglückliche Reisende zu Tode quälen, doch bei bürgerlichen Herrschern galt eine solche Verhaltensweise als völlig normal, und es gab eine überwältigende Mehrheit in Ankh-Morpork, die derartige Maßnahmen billigte. 10 Wer in Ankh wohnt, macht sich schon sehr bald eine praktische Einstellung zu eigen, und der Erlaß des Patriziers, mit dem Straßentheater und öffentliche Pantomimik verboten wurden, entschädigte sie für viele Dinge. Er übte keine
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