Der Zauberlehrling
daran hindern. Alle Verhaltensreaktionen, die in Streßsituationen auf emotionalen Druck hin auftreten, machen den Betreffenden klar, daß sie nicht frei sind für ein für sie im Augenblick angemessenes Vorgehen. So können die meisten erwachsenen Mitglieder unserer Gesellschaft nicht gelassen mit Kritik umgehen, obwohl ein souveräner Umgang mit kritischen Rückmeldungen eine äußerst sinnvolle Fähigkeit darstellt, die uns nicht nur häufig auftretende Situationen bewältigen hilft, sondern darüber hinaus eine wertvolle Lernquelle darstellt. Um Fähigkeiten solcher Art zu erwerben ist der dissoziierte Zustand ein hervorragend geeignetes Mittel, weil bei einem solchen Vorgehen die zuschauende Person gefühlsmäßig ganz anderes reagieren kann als die erlebende Person.
Mit dem folgenden Lernmuster 68 können Sie exemplarisch üben, Gesprächspartner durch für sie unangenehme Situationen zu führen, um es ihnen zu ermöglichen, automatische Gefühlsreaktionen zu modifizieren und sich angemessene Verhaltensweisen anzueignen. Mit Kritik umgehen zu lernen eignet sich deshalb besonders gut zum Einstieg in eine solche Vorgehensweise, weil Sie auch im Lernzusammenhang Partner oder Partnerinnen finden werden, die froh sind, auf diese Weise die Chance zum Lernen sowohl auf der Sachebene wie auch auf der Metaebene zu bekommen.
Im folgenden Muster finden Sie ein „A“ im Text. „A“ steht dabei für den Vornamen Ihres Gesprächspartners oder Ihrer Gesprächspartnerin.
Im ersten Schritt veranlassen Sie A, einen dissoziierten Zustand herzustellen. Dabei bitten Sie A, ein bestmögliches Arrangement für diese Dissoziation herauszufinden. Bewährt hat sich dabei die Vorstellung einer Plexiglasscheibe zwischen A „auf der Bühne“ und A als „Zuschauer“. Manchmal können aber auch bestimmte Abstände zwischen beiden ausreichend für die Herstellung und Aufrechterhaltung eines dissoziierten Zustands sein.
Der zweite Schritt besteht darin, A zu unterstützen, sich von der gleich ankommenden Kritik zu dissoziieren. Es gibt verschiedene Wege, dies zu tun. A kann eine weitere Dissoziation herstellen: sich selbst da drüben sehen als jemanden, der oder die sieht, daß er oder sie kritisiert wird. A kann aber auch in einem gewissen Abstand die Worte der Kritik im Raum geschrieben sehen. Hier ist wieder Kreativität gefragt, um Verfahren auszudenken, die die Kritik erträglich machen.
Danach weisen Sie A an, sich selber zu beobachten, während er oder sie hinter der Plexiglasscheibe sich einen Film über die Worte des Kritikers macht. A soll dabei so viele Informationen sammeln, bis er oder sie genau weiß, was der Kritiker meint. A soll aufmerksam feststellen, wie A hinter der Plexiglasscheibe fortfährt, Informationen zu sammeln, bis er oder sie sich eine klare und genaue Repräsentation der Kritik in allen Sinneskanälen machen kann.
Danach geht es um die Bewertung der Kritik. A soll genau beobachten, wie A hinter der Plexiglasscheibe die Repräsentation der Kritik mit allen anderen Informationen vergleicht, die er oder sie über die Situation hat, um herauszufinden, ob sie übereinstimmen oder nicht. A hinter der Plexiglasscheibe kann dabei die eigenen Erinnerungsfilme des Ereignisses nochmal ablaufen lassen und vergleichen. A kann Filme des Ereignisses aus verschiedenen Blickwinkeln verschiedener Zuschauer ablaufen lassen und vergleichen. Wenn die beiden Repräsentationen zusammenpassen, kann A hinter der Plexiglasscheibe zu dem Schluß kommen, daß die Kritik zur Kenntnis zu nehmen für ihn oder sie sehr nützlich ist. Wenn es nur wenig Übereinstimmung gibt, können Sie zurück zu Schritt 3 gehen, um A hinter der Plexiglasscheibe mehr Informationen sammeln zu lassen. Wenn es gar keine Übereinstimmung gibt, kann A hinter der Plexiglasscheibe zu dem Schluß kommen, einfach anderer Meinung zu sein als der Kritiker.
Nach der Bewertung der Kritik soll A hinter der Plexiglasscheibe sich entscheiden, was er oder sie tun will. A kann sich z.B. bedanken, daß der Kritiker ihn oder sie auf die Sache aufmerksam gemacht hat, und sich vornehmen, noch genauer darüber nachzudenken. A kann sich auch vornehmen, sich zu entschuldigen oder irgendeine Wiedergutmachung anzubieten. Bei fehlender Übereinstimmung kann er oder sie einfach darauf hinweisen. Wenn die Kritik eine mögliche Interpretation des Verhaltens von A ist, kann A hinter der Plexiglasscheibe zurückmelden, daß eine solche Interpretation von ihm oder ihr nicht
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