Der Zauberlehrling
abzuwenden? Ist das ein Ganzkörpergefühl oder zeigt sich das eher ...
A: Nee, jetzt wo du mich das fragst, ich habe eigentlich dabei keinen körperlichen Streß, so ein Unwohlsein, sondern das ist eher so, als versuchte ich da ein Stück Wahrnehmung auszublenden, irgend etwas grau zu machen, irgend etwas aus meinem Sichtfeld rauszunehmen.
B: Also das ist eher etwas Visuelles.
A: Ja, also so direkt keine bestimmte Körperhaltung oder, ja vielleicht, so ein Stück weit Duckendes, wenn man sich abwendet, so ein bißchen Kleinmachen. Da stehe ich also nicht aufgerichtet.
B: Ist das auch eher etwas Visuelles, du guckst dann eher weg?
A: Ich gucke eher weg, und möglicherweise ist das eine Körperhaltung, ich weiß nicht, ob man das von außen so sehen kann als ein Abwenden und Kleinmachen. Ich bin dann nicht gerade aufgerichtet und gucke mir das Geschehen direkt an, sondern ich versuche eben, mich ein Stück abzuwenden. Möglicherweise ist meine Haltung dann auch ein bißchen gebeugt, das kann schon sein. Und wenn ich sitze, bin ich sowieso meist über Arbeitspapiere gebeugt. Ich verstecke mich dann ein bißchen. Denn ich bin eigentlich die zuständige Person. Ich müßte im Prinzip sofort was sagen.
B: Ah, ja, sehr spannend. OK. Wenn du in dieser Haltung bist, so quasi so eine Form von Verstecken, was siehst du da?
A: Was ich sehe, sind jeweils die Personen, mit denen ich es zu tun habe. Das kann sein in den Räumen, das kann auch draußen sein, wo die Raucher sind, das kann im Sekretariat sein. In der Regel ist es so, daß ich eben versuche, nicht hinzusehen.
B: Auch da so eine Form von Abwenden.
A: Richtig! Wo du das grad sagst, normalerweise, wenn ich mit Menschen rede, guck ich die auch direkt an. Ich kann auch normalerweise, wenn sich jetzt jemand mit mir messen will, Blicke aushalten. Damit habe ich kein Problem. Aber hier merke ich, da weiche ich dem aus, wie der Vogel Strauß: Wenn ich den nicht angucke, sieht der mich auch nicht.
B: Und während du dich da abwendest und das aus deinem Blickfeld tust, was hörst du da?
A: Im Hörbereich ist eigentlich das, was ich sonst auch höre, d.h. Geräusche, die eben im Klassenraum sind, und Außengeräusche. Also nichts Spezielles, was ich höre, höchstens meine innere Stimme, ja so was wie: „Das ist eigentlich nicht erlaubt!“ und „Jetzt müßtest du eigentlich was sagen!“.
B: Und da kommt immer „eigentlich“ drin vor ...
A: Ja so, und „Du guckst jetzt einfach weg“, und „Die müßten das doch eigentlich wissen“, und „Eigentlich geht es mir auf die Nerven, immer dasselbe Lied“.
B: Eigentlich nervt es mich ...
A: Ja, ich hätte diese Rolle lieber nicht.
B: Alles Konjunktive: „Eigentlich müßten die das wissen“, „Eigentlich nervt mich das, eigentlich ist das nicht erlaubt ... “
Ist da sonst noch was zu hören außer dem, was zu der Szene normalerweise dazugehört, daß die sich da unterhalten, Nebengeräusche und ...
A: Und dann meine Stimme.
B: Wie klingt die denn?
A: Na, inzwischen ein bißchen resigniert. Also nicht so: „Das nächste Mal sagst du aber was“, sondern: „Na ja, schon wieder!!!“ Weil, das geht ja schon längere Zeit so. Und ich habe auch schon oft was gesagt. Und ich bin ja auch eher bekannt als die Bissige, in einigen Klassen jedenfalls. Das nehmen die schon wahr, daß ich für die Regeln sorgen soll. Aber irgendwann müßte das ja funktionieren. Aber immer wieder muß ich was sagen!
B: In welchem Tempo sagst du dir das? Langsam oder schnell?
A: Ich glaube, das ist das Tempo, in dem ich sonst auch spreche, vielleicht ein bißchen langsamer.
B: Ja, gibt es noch etwas, wie sich deine Stimme anhört, was von deinem normalen Sprechen abweicht? In der Lautstärke beispielsweise?
A: Es ist eher leise. Das paßt auch dazu. Eigentlich will ich das ja gar nicht wahrnehmen.
B: Und Höhe und Tiefe?
A: Eher tief.
B: Gibt es noch was, wie es von deiner normalen Stimme abweicht?
A: Nein.
B: OK. Und während du das zu dir sagst, wie fühlst du dich?
A: Also, im Grunde nicht so gut. Ich neige dazu, das eher ein bißchen zu verdrängen. Dann gehe ich eben zu der nächsten Aufgabe über, dann erkläre ich ja auch etwas und mache etwas. Und dann ist das erst mal wieder weg. Aber es ist schon eher so ein Gefühl, eigentlich ist es ja so was, was zu meinen Aufgaben gehört.
B: Das macht so ein bißchen was von einem Schuldgefühl.
A: Ja, schlechtes Gewissen zumindest, Schuldgefühl, schlechtes Gewissen.
B:
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