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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Garner
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fragte Colin, nachdem die Geschichte erzählt war.
    «Die Lios-Alfar», sagte Durathror, «sind die Elfen des Lichts, Luftwesen und Tautrinker. Schönheit ist ihnen Nahrung und Leben, Schmutz und Hässlichkeit Tod. Als die Menschen sich von der Sonne und der Erde abwandten und die Luft mit dem Rauch ihrer Schornsteine verdarben, war dies Gift für die Lios-Alfar; die Kruste aus Ziegelsteinen und Dächern, die das Land überzog, ließ ihre Herzen welken. Sie mussten gehen oder sterben. Wo immer jetzt Menschen waren, waren Lärm und Ruß, nur in den unbewohnten Gegenden war Frieden. Einige von den Lios-Alfar flohen in die Berge von Sinadon, einige zur Insel Erin jenseits des Westwassers, andere hinter die Schluchten von Dinsel im Süden. Die meisten aber zogen mit Atlendor ins ferne Prydein, das noch hinter Minith Bannawg liegt, sie wohnen dort auf den hohen Bergen. Nun sind zumindest einige wenige nach Süden gekommen, aber zu welchem Zweck, vermag ich nicht zu sagen, und auch nicht, warum sie sich vor mir verbergen. Aber daran kann nichts Böses sein, so viel ist sicher.»
    Im Verlauf des Nachmittags ließ der Sturm nach, und die Wurzeln boten jetzt keinen Schutz mehr vor dem Schnee. Er fiel stetig und eintönig, sodass es den halb erfrorenen Gestalten hinter dem Baum so vorkam, als stünden sie auf einer Plattform, die sich durch einen weißen Perlenvorhang nach oben bewegte. Die Wirklichkeit, Raum und Zeit lösten sich auf in der weißen, schwebenden, reglosen Welt. Nur gelegentlich zog eine Bö den Vorhang für ein paar Sekunden zurück und zerstörte so die hypnotisierende Wirkung.
    Gegen Einbruch der Nacht raffte Fenodyree sich auf. Die ganze Zeit, seit der Wind sie nicht mehr hinter den Baumwurzeln gefangen hielt, hatte er die Vor- und Nachteile, die ein Weitergehen mit sich brächte, gegeneinander abgewogen. Wie die Dinge standen, würden sie sehr wahrscheinlich von ihrem Weg abkommen, und sie waren gefährlich nah an Alderley und dem Edge. Nein, dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Andererseits zeichnete es sich aber deutlich ab, dass sie die Nacht im Freien nicht überleben konnten. Schon jetzt spürten sie die verhängnisvolle wohlige Schläfrigkeit der Erfrierenden, und die hypnotisierende Wirkung des Schnees schwächte ihren Widerstand gegen die drohende Gefahr. Sowohl Gowther als auch Colin hatten bereits mehr als einmal wachgerüttelt werden müssen.
    «Wir müssen uns bewegen», sagte Fenodyree. «Wenn wir kein Dach überm Kopf finden, werden wir am Morgen keins mehr nötig haben. Ich werde einmal nachsehen, ob die Gegend bachabwärts besseren Schutz bietet. Je weniger Spuren wir in diesem Schnee hinterlassen, desto sicherer werden wir schlafen, aber es wäre nicht klug, allein zu gehen. Bauer Mossock, willst du mich begleiten?»
    «Das will ich!», sagte Gowther. «Ich hab diesen Platz hier schon reichlich satt!»
    Fenodyree und Gowther verschwanden durch den Vorhang.
    Sie folgten dem Tal vierhundert Meter weit und kamen an eine Wagenspur, dicht an der Stelle, wo sie zu ihrer Rechten in die Straße nach Congleton einmündete.
    «He!», sagte Gowther. «Ich weiß, wo wir sind! Geradeaus liegt Redesmere und gleich vor uns liegt ‘n ziemlich dichter Wald: hauptsächlich wieder Rhododendrongebüsch, aber vielleicht können wir ja was draus machen. Ist das Beste, was wir in dieser Gegend hier werden finden können.»
    «Es könnte besser sein, als du denkst, mein Freund!», sagte der Zwerg mit funkelnden Augen. «An Redesmere hatte ich noch gar nicht gedacht.»
    Sie gingen den Weg wieder zurück. Gowther hatte sich ständig die größte Mühe gegeben, seine Füße genau in Fenodyrees Stapfen zu setzen, und seine Stiefel hatten die kleineren Abdrücke des Zwerges gelöscht. Auf dem Rückweg traten sie nun wieder in dieselben Spuren, und das Ergebnis würde jedem Jäger viel Stoff zum Nachdenken gegeben haben.
    Der Schnee lag jetzt überall fast kniehoch und an verwehten Stellen noch beträchtlich höher.
    «Wir sollten hier und da Äste abschneiden, um uns ein Dach bauen zu können, falls es in Redesmere nicht besser aussieht», sagte Fenodyree. «Aber wir dürfen keine Sekunde verlieren, da es schon nach Sonnenuntergang ist, und das birgt Gefahren, noch ehe es gänzlich dunkel wird. Wenn wir… ah!!»
    «Was…?»
    «Pscht! Sieh!»
    In der Zeit, die vergangen war, seit sie auf dem Weg nach Redesmere an dieser Stelle vorbeigekommen waren, hatte etwas ihren Weg gekreuzt und Spuren hinterlassen, wie sie

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