Der zehnte Richter
mit Eric ist es nach der Sache mit seinem Artikel genauso gewesen. Und genau wie zu Nathan hast du auch ihm gesagt, er soll dich am Arsch lecken.« Ober stand vom Sofa auf und ging zur Treppe. »Ziemlich gespenstisch, oder?«
»Und, wirst du die Pillen nehmen?« fragte Lisa am folgenden Morgen zwischen zwei Schluck Kaffee.
»Natürlich.« Ben war dabei, in einem Jahrbuch aus Michigan zu blättern. »Welche Wahl habe ich denn?«
»Du kannst beschließen, sie nicht zu nehmen.«
»Und ich kann auch beschließen, bei dem Test durchzufallen«, sagte Ben. »Selbst wenn sie keine Wirkung haben, schadet es nicht, wenn ich sie nehme. Es ist ja nicht so, daß es sich um Zyankali-Pillen handelt.«
»Woher weißt du denn, was da drin ist? Das Zeug kann alles mögliche enthalten: Zyankali, ein Aufputschmittel, ein Wahrheitsserum -«
»Das reicht«, unterbrach Ben sie. »Ich werde das Risiko eingehen, danke.«
»Ich meine das ernst«, erklärte Lisa. »Wer weiß, was Nathan dir gegeben hat?«
»Du glaubst doch selbst nicht, was du da sagst. Du bist bloß wütend, weil ich dir erzählt habe, daß er derjenige war, der dich verdächtigt hat.«
»Natürlich bin ich wütend. Zur Hölle mit ihm.« »Jetzt komm schon - sei lieb.«
»Lieb?« fragte Lisa. »Ausgerechnet du verlangst von mir, ich soll lieb sein? Du bist doch derjenige, der sich gestern Abend mit seinen besten Freunden zerstritten hat.«
»Vielen Dank, daß du mir das unter die Nase reibst. Es waren gerade zwei volle Minuten vergangen, in denen ich nicht daran gedacht habe.«
»Ich wundere mich, daß sie dich da überhaupt noch wohnen lassen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, hätte ich dich längst rausgeschmissen.«
»Beim Frühstück heute Morgen herrschte tatsächlich nicht gerade Friede, Freude, Eierkuchen. Eric, Nathan, Ober und ich saßen zusammen am Tisch, und keiner hat mit irgend jemandem auch nur ein Wort gewechselt. Wenn einer die Milch oder die Papierservietten haben wollte, hat er einfach darauf gezeigt. Es war wie in einer Familie von Taubstummen. «
»Wenn du willst, kannst du eine Zeitlang bei mir wohnen«, bot Lisa an.
»Vielen Dank, aber wenn ich zu Hause bin, hab' ich die Dinge dort besser im Blick.«
Lisa nahm einen Schluck Kaffee. »Hast du jemals daran gedacht, daß du unrecht haben könntest? Daß deine Freunde in Wirklichkeit gar nicht gegen dich sind?«
»Natürlich hab' ich das.« Ben sah von seinem Jahrbuch auf. »Weshalb hätte ich sonst heute nacht kein Auge zubekommen?« »Und?«
»Und ich habe immer wieder dieselbe Vorstellung: Was wäre, wenn ich unrecht hätte? Aber sobald ich mir die Frage stelle, bin ich wieder genau da, wo ich angefangen habe.«
Lisa nickte und deutete auf Bens Lektüre. »Sieht irgend jemand bekannt aus?«
»Sie sehen insofern bekannt aus, als jeder wie ein langweiliger Anwalt aussieht. Aber abgesehen davon erinnert mich keiner an Rick.« Ben schlug das Jahrbuch zu. »Es ist hoffnungslos - er ist verschwunden, und ich tappe total im dunkeln.«
»Hör mal, du solltest nicht ausschließlich auf die Jahrbücher setzen. Wenn du ihn findest, gut. Wenn nicht, nageln wir ihn fest, wenn jemand bei Grinnell sich entschließt, seinen Anteil zu verkaufen. Außerdem sollte die Suche nach Rick momentan für dich an zweiter Stelle stehen. Wenn du bei diesem Lügendetektortest durchfällst, hast du ein viel größeres Problem.«
»Ich werde ihn bestehen.«
»Plötzlich so selbstsicher?«
»Ja, schließlich versagt der durchschnittliche Kandidat nur, weil er Angst vor dem Ding hat.«
»Und du bist selbstredend wesentlich besser als der durchschnittliche Kandidat«, sagte Lisa.
»Das bin ich. Ich mache mir aus Angst vielleicht in die Hosen, aber das heißt noch lange nicht, daß ich mich von einem blödsinnigen Apparat einschüchtern lasse. Wenn diese Geräte so toll wären, wären sie vor Gericht ja zugelassen. Und wenn das nicht so ist, sind sie offenbar zu schlagen. Außerdem liegt es in der Natur eines Anwalts, Dinge zu vertreten, an die man nicht unbedingt glaubt.«
»Aber du bist kein Anwalt. Du bist ein simpler Assistent.«
»Hab' ich das Anwaltsexamen bestanden oder nicht?« fragte Ben. »Also bin ich ein Anwalt.«
»Du hast einfach nur eine Heidenangst. Und wenn das der Fall ist, fängst du immer an, dich wie ein aufgeblasener Esel zu benehmen - als wäre das eine vernünftige Verteidigungsstrategie.«
»Okay, mag sein. Aber ich weiß immer noch, daß ich nichts Falsches getan habe. Rick hat mich bei
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