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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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murmelte Ben und warf dem jungen Mann einen Blick zu. Er konnte kaum älter als sechzehn sein, obwohl er schon Anzug und Krawatte trug.
    »Warum ist es bloß jeden Tag dasselbe?« wiederholte der Junge. »Warum richtet man das nicht besser ein?«
    »Keine Ahnung«, sagte Ben. »Und ich bin viel zu müde, um darüber nachzudenken.«
    »Reden Sie mir bloß nicht von Müdigkeit«, erklärte der Junge mit einem leichten Massachusetts-Akzent. »Laufen Sie erst mal zwanzigmal am Tag vom Senat zum Repräsentantenhaus, dann können wir uns wieder unterhalten.«
    »Sie arbeiten als Bürobote?«
    Der Junge schlug stolz seinen Mantel auf, um Ben die eingeschweißte Ausweiskarte zu zeigen, die ihm um den Hals hing. »Ich bezeichne mich lieber als Pagen. Und falls Sie sich dafür interessieren, wie die Senatoren ihren Kaffee trinken, das weiß ich alles auswendig.«
    »Ist wohl ein Job, bei dem viel auf einem rumgetrampelt wird, oder?«
    »Sagt man. Aber ich bleibe da nicht lange.«
    »Und warum nicht?« fragte Ben lächelnd.
    »Weil ich meine Sache gut mache. Ich löse die Probleme.« Der Junge deutete in Richtung des ersten Wagens. »Das ist ja bei den Leuten faul, die diese Fahrpläne machen. Keiner von ihnen kann Probleme lösen. Sie sind gelangweilt, ideenlos, reagieren bloß noch. Deshalb sitzen wir jetzt auch hier fest. Keiner packt die Probleme wirklich an.«
    »Und was ist Ihre Lösung?«
    »Es geht nicht so sehr um eine Lösung als um den richtigen Ansatz. Ich stelle mir die Sache so vor: Wenn man ein Problem wirklich angehen will, muß man direkt zu seinem Kern vorstoßen. Aber das macht in dieser Stadt keiner. Man tanzt bloß abwehrend um alles herum.«
    »Und das ist Ihr großer Plan?«
    »Ich hab' nie behauptet, daß ich die Nahverkehrsprobleme lösen könnte«, erklärte der Junge ärgerlich. »Ich hab' Ihnen bloß meinen Ansatz erläutert.«
    »Haben Sie eigentlich vor, Jura zu studieren?« fragte Ben.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich Anwälte schon aus einer Meile Entfernung riechen kann. Sie haben einen ganz bestimmten Duft.«
    »Machen Sie sich bloß nicht über Sachen lustig, von denen Sie nichts verstehen«, erwiderte der Junge. »Nur wenn man Anwalt ist, wird man heutzutage noch ernst genommen. Ohne ein Juradiplom hört niemand auch nur im geringsten auf das, was ich sage, aber wenn ich Anwalt bin, wird man mir echte Verantwortung geben.«
    »Glauben Sie?«
    »Das weiß ich«, sagte der Junge überzeugt, während der Zug sich wieder in Bewegung setzte. »Gute Einfälle können einen nur bis zu einer gewissen Grenze bringen. Um wirklich gute Arbeit zu bekommen, muß man glaubwürdig sein. Wenn Sie also in Ihrem Job ersticken, sollten Sie mal darüber nachdenken. Jura kann jeder studieren. Und dann steht einem die Zukunft offen.«
    »Vielen Dank für den Ratschlag«, sagte Ben, als der Zug in den nächsten Bahnhof einlief. »Ich werde darüber nachdenken.«
    »Hoffentlich«, sagte der Junge. »Es könnte Ihr Leben verändern.« Er stand auf und ging zur Tür. »Also, hier muß ich aussteigen. Schönen Abend noch.«
    »Gleichfalls«, rief Ben ihm hinterher. Sekunden später schlössen sich die Türen, und der Zug fuhr wieder an.
    Als Ben nach Hause kam, waren Eric und Ober in der Küche schon beim Abspülen. »Na endlich«, sagte Ober, sobald er Ben erblickte.
    »Sag's ihm bloß nicht«, warnte Eric und fuhr mit dem Geschirrhandtuch über die Außenseite der großen Spaghettischüssel. »Es wird ihm nicht gefallen.«
    »Ganz im Gegenteil.« Ober hob seine schaumbedeckten Hände. »Es wird ihm sehr gefallen.« Während Ben seinen Mantel weghängte, rief Ober durchs Zimmer: »Wir haben uns eine ganz neue Methode ausgedacht, um die Rechtsprechung zu reformieren.«
    »Großartig«, erklärte Ben, als er wieder in die Küche kam. »Was ist denn mit dir los?« fragte Eric, als er Bens Gesicht sah. »Du siehst ja furchtbar aus.«
    »Danke.«
    »War im Büro was nicht in Ordnung?« fragte Eric.
    »Doch, alles war großartig.« Ben holte eine Schüssel mit den Resten eines chinesischen Rindfleischgerichts aus dem Kühlschrank. »Jeder Tag ist ein reines Vergnügen.«
    »Du hast doch nichts von Rick gehört, oder?«
    »Noch nicht.« Ben fischte eine Gabel aus der Geschirrschublade.
    »Vergiß das Arschloch doch. Der ist verschwunden.« Ober spülte schwungvoll einen Plastikbecher aus. »Jetzt hör mal zu. Wir schlagen folgendes vor: Wenn wir die Rechtsprechung effizienter gestalten wollen, wäre es dann nicht toll,

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