Der zehnte Richter
fuhr er bewußt auf ihn zu. Als der Zug Arlington erreichte, fragte sich Ben, ob sein neuester Plan tatsächlich die beste Antwort auf seine Probleme war. Doch dann schob er jede Unentschiedenheit eisern von sich weg und sagte sich mit Nachdruck, daß er das Richtige tat. Schließlich gab es im Grunde auch gar keinen anderen Ausweg.
Ben stieg aus dem Zug und stand vor dem Bürokomplex von Pentagon City. Nachdem er sich beim Empfang erkundigt hatte, machte er sich auf den Weg zur Zentrale des U. S. Marshals Service. In einem neuen, zwölfstöckigen Bürogebäude untergebracht, liefen hier die Fäden für die fünfundneunzig vom Präsidenten ernannten Marshals zusammen. Verantwortlich für den Schutz der richterlichen Gewalt des Bundes, garantierten sie die Sicherheit der Bundesrichter wie auch der vom Bund präsentierten Zeugen. Hatten Carl Lungen und Dennis Fisk die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs während ihres Aufenthalts in der Hauptstadt zu beschützen, so beauftragte die Zentrale einzelne Marshals zum Schutz jener Richter, die diesen Bereich verließen.
Ben atmete tief ein und zog die Glastüren des Gebäudes auf. Als er eintrat, hielt ihn ein Wachmann an. »Sie wünschen?«
»Ich habe einen Termin. Ben Addison.«
»Bei wem?« fragte der Wachmann mißtrauisch.
»Direktor Alex DeRosa.«
Der Wachmann sah auf seine Liste, wandte sich zu seinem Tisch um und hob den Telefonhörer ab. »Hier ist ein Ben Addison, der mit Mr. DeRosa sprechen will«, sagte er. »Okay, ich schicke ihn rauf.« Der Wachmann sah Ben an. »Es ist im zwölften Stock. Sie können's nicht verfehlen.«
Minuten später trat Ben im zwölften Stock aus dem Aufzug.
Eine Empfangsdame saß vor einem verglasten Eingang, der zu einer Flucht von Büros führte. »Sie wünschen?«
»Ich habe einen Termin bei Direktor DeRosa. Mein Name ist Ben Addison.«
»Richtig; er hat mir gesagt, Sie sollen die Nachricht von Richter Hollis bei mir abgeben.«
»Tut mir leid, aber das geht nicht. Ich habe die Anweisung, die Nachricht persönlich zu überbringen.« »Dann überbringen Sie sie einfach mir. Direktor DeRosa ist heute sehr beschäftigt.«
»Jetzt will ich Ihnen mal etwas erklären«, erwiderte Ben, dessen Aufregung sich in Ärger verwandelte. »Richter Mason Hollis ist auch sehr beschäftigt. Er hat drei persönliche Hilfskräfte und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter. Ganz zu schweigen von den dreihundert weiteren Angestellten am Obersten Gerichtshof, die ebenfalls seiner direkten Weisung unterstehen. Jede dieser Personen hätte eine Nachricht tippen und hierherschicken können. Aber Richter Hollis hat entschieden, daß ich sie mündlich überbringen soll. Und wenn ein Richter am Obersten Gerichtshof etwas so Wichtiges mitzuteilen hat, daß er es nicht einmal schriftlich niederlegen will, meinen Sie dann wirklich, daß ich Ihnen das so einfach sagen kann?«
Ben starrte die Frau an, bis sie den Hörer ihres Telefons abhob. »Hier wartet ein Mr. Ben Addison auf Sie. Richter Hollis hat gebeten, daß seine Nachricht persönlich überbracht wird.« Die Empfangsdame schwieg. »Ja. Er ist ganz sicher.« Sie lauschte eine weitere Minute schweigend in den Hörer, dann legte sie auf und drückte einen kleinen Knopf, der die Sicherung der Glastüren ausschaltete. »Sie können hineingehen, Mr. Addison. Er sitzt ganz hinten rechts.«
Ben ging den Flur entlang und versuchte, so ruhig wie nur möglich zu erscheinen. Noch während er die Hand zur Klinke führte, flog die Tür auf, und der oberste Marshai stand im Eingang seines Zimmers. »Das muß jetzt aber wirklich was verdammt Wichtiges sein«, sagte er. Klein und untersetzt, war Alex DeRosa für seinen messerscharfen Verstand ebenso bekannt wie für seinen Mangel an Geduld. Die Ärmel hochgerollt, so daß seine dicken, haarigen Unterarme zum Vorschein kamen, zeigte er auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. »Hinsetzen.«
Militärische Ehrenzeichen dekorierten das Büro: gerahmte Orden, Bänder und Belobigungen; dazu kamen Diplome von der Marineakademie und der juristischen Fakultät der Columbia University. An der rechten Wand hingen Fotos, die DeRosa mit den letzten beiden Präsidenten zeigten.
»Also heraus mit dieser irrsinnig geheimen Nachricht«, bellte DeRosa und setzte sich hinter seinen Tisch.
»Die Sache ist von großer Wichtigkeit, aber sie hat nichts mit Richter Hollis zu -« begann Ben.
»Ja, was zum Teufel -?« DeRosa sprang auf. »Machen Sie, daß Sie hier verschwinden!
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