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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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bedeckten, brach Ober in Tränen aus.
    Das darf nicht wahr sein, dachte Ben, als er vom U-Bahnhof nach Hause lief. Vielleicht hat Eric etwas falsch verstanden. Als er um die Straßenecke bog, trat er auf eine Eisplatte, rutschte aus und fiel mit der rechten Hüfte auf das glatte Pflaster. Ohne auf die Schmerzen zu achten, kam er taumelnd wieder auf die Füße, um eilig weiterzurennen. Er riß die Haustür auf, stürmte hinein und sah Ober auf dem Sofa sitzen. Noch immer in seinem dunkelblauen Anzug, die Krawatte gelockert, starrte Ober auf den Fernseher, ohne Bens Auftauchen wahrzunehmen.
    »Ich bin los, sobald ich es gehört hab'«, sagte Ben und ließ seinen Mantel auf den Boden fallen. »Wie geht's dir denn? Ist alles in Ordnung?« Er schwieg einen Moment, doch da er keine Antwort erhielt, versuchte er es von neuem. »Komm schon, Ober, sprich mit mir. Ich bin da, um dir zu helfen.«
    »Es gibt ja nichts zu sagen.« Obers Stimme war ruhig, aber mutlos. »Ich hab' dir geholfen, meine Chefin hat es herausbekommen, und man hat mich gefeuert.«
    Ben ging zur Couch, um sich neben seinen Freund zu setzen. »Ober, du weißt ja, daß ich das nie -«
    »Ich weiß schon, daß du das nie wolltest.« Traurig ließ Ober die Schultern sinken.
    »Ich schwöre dir, ich dachte, Rick blufft nur. Ich hätte nie gedacht, daß er es tatsächlich tun würde, und ich dachte -«
    »Es ist egal, was du gedacht hast«, unterbrach Ober ihn mit einer Stimme, die kaum mehr war als ein Flüstern. »Ich habe meinen Job verloren. Das ist alles, worauf es wirklich ankommt.«
    Ben starrte auf Erics Gemälde, unfähig, seinem Freund ins Gesicht zu sehen. Er schwieg, während er nach dem perfekten Grund, der perfekten Erklärung, der perfekten Entschuldigung suchte. In einer Debatte war Ben um Worte nie verlegen. Doch wenn es um eine Entschuldigung ging, war er mehr als unbeholfen. Schließlich kam er auf: »Es tut mir leid.«
    Ober schössen Tränen in die Augen, und er bedeckte das Gesicht mit seinen Händen.
    »Es tut mir so leid.« Ben legte eine Hand auf Obers Schulter. »Ich kann mich gar nicht genug für das entschuldigen, was da geschehen ist.«
    »Mein ganzes Leben ist ruiniert ...«
    »Nicht doch«, protestierte Ben und versuchte krampfhaft, Obers Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Du wirst eine neue Stelle finden. Eine bessere.«
    »Nein, werde ich nicht«, schluchzte Ober. »Ich hab' fünf Monate gebraucht, um an diese Stelle zu kommen. Wie soll ich da eine neue finden?«
    »Wir helfen dir dabei«, erklärte Ben. »Es ist wirklich nicht so schlimm, wie du denkst. Wenn wir zusammenhalten, können wir -«
    »Das ist ja nicht wahr«, unterbrach Ober ihn und wischte sich die Augen trocken. »Du weißt genau, daß ich nicht bin wie ihr. Ich hab' die Uni nicht mit Auszeichnung beendet. Ich bin kein Genie. Ich bin ein Versager.«
    »Fang bloß nicht damit an. Du bist genauso klug wie wir alle.«
    »Nein, bin ich nicht«, erwiderte Ober mit belegter Stimme. »Du hast es selbst gesagt, und es stimmt: Ich bin es nicht.«
    »Doch, du bist es.«
    »Nein. Das ist der sechste Job, von dem man mich gefeuert hat. Ich werde Monate brauchen, um einen neuen zu finden, und der wird schlechter sein als der letzte. Mein Leben ist genau wie unsere Spiele-Firma - eine große Pleite.«
    »Ober, sei doch nicht so hart gegen dich.« Ben hatte noch immer seine Hand auf Obers Schulter. »Das Leben dreht sich nicht um die Ergebnisse von Intelligenztests und um Notendurchschnitte. Wenn du dich auf die Hinterbeine stellst, wird dein Scharfblick dich genauso weit bringen. Und wenn du etwas hast, dann den.«
    »Ich hab' noch nicht mal den.« Ober entzog sich Ben. »Ich bin nicht clever; ich bin nicht wendig; ich kann unter Druck nicht gut arbeiten. Warum kann ich mich denn deiner Meinung nach an keiner Stelle halten? Wo ich jetzt war, hab' ich schon monatelang versagt - man hätte mich sowieso bald rausgeschmissen. Die ganze Sache mit Rick hat den Vorgang nur beschleunigt.«
    »Das stimmt doch gar nicht.«
    »Woher weißt du denn, daß das nicht stimmt?« Wieder füllten Obers Augen sich mit Tränen. »Du warst ja nicht dabei. Du hast mich nie bei der Arbeit gesehen. Die Hälfte der Zeit wußte selbst ich nicht, was ich da eigentlich gemacht habe.«
    »Du warst Verwaltungsassistent«, unterbrach Ben ihn. »Das war ein guter Job.«
    »Es war ein unterdurchschnittlicher Job.« Ober wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht. »Und der einzige Grund, warum ich ihn

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