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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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bürokratische Karriereleiter emporzuklimmen. Ihrer Ansicht nach hatte sich das jahrelange Ackern im Verborgenen durchaus gelohnt - sie war momentan die wichtigste Mitarbeiterin von Senator Stevens. Innerhalb eines Arbeitstags, der um sechs Uhr morgens begann und erst um elf Uhr abends zu Ende ging, kontrollierte Marcia einen Großteil dessen, was der Senator sah und hörte. Sie nahm an Ausschußsitzungen teil, organisierte die parlamentarischen Auftritte des Senators und redigierte seine Reden und Pressemitteilungen. Außerdem traf sie die wichtigsten Entscheidungen, wenn es um die Zusammensetzung seines Mitarbeiterstabs ging.
    Während Ober Marcia zu ihrem Büro folgte, versuchte er zu erraten, was er diesmal falsch gemacht hatte. Seit seiner Beförderung zum Verwaltungsassistenten waren Besuche in Marcias Büro alles andere als eine Seltenheit. In einem Fall hatte sein Antwortbrief auf die Beschwerde eines erzürnten Wählers einfach die Worte »Immer mit der Ruhe!« enthalten, in einem anderen hatte er in einem Brief an einen anderen Senator den Namen von Mrs. Stevens falsch geschrieben. Außerdem hatte Marcia ihn dabei erwischt, wie er die Mitarbeiter republikanischer Senatoren mit nicht ganz ernst gemeinten Anrufen bombardierte, in denen er ihnen riet, doch besser aufzugeben.
    Ober trat in Marcias Büro und bemerkte sofort den steif dasitzenden Fremden auf einem der Stühle vor ihrem Schreibtisch. Als er den ernsten Gesichtsausdruck des Mannes bemerkte, wußte er, daß es diesmal nicht um den Kaffee gehen würde, den er auf Marcias Computer verschüttet hatte.
    »Setzen Sie sich.« Marcia deutete auf den leeren Stuhl neben dem Fremden. »Das ist Victor Langdon vom FBI.«
    »Nett, Sie kennenzulernen.« Ober streckte seine Hand aus.
    »Können wir zur Sache kommen?« fragte Langdon, ohne auf die Geste zu achten.
    Marcia richtete den Blick auf Ober. »Ich möchte Ihnen von einem anonymen Fax berichten, das ich vor ein paar Stunden bekommen habe«, begann sie. »Darin wird behauptet, die Todesdrohung, der Sie vor einigen Monaten nachgegangen sind, sei von Ihnen selbst verfaßt worden. Das Fax beschuldigt Sie auch, Senator Stevens diese Drohung geschickt zu haben, um Ihre Karriere voranzutreiben. Angesichts der Tatsache, daß Ihre Beförderung tatsächlich mit Ihrem Verhalten bei diesem Vorgang zu tun hatte, haben wir uns gefragt, was Sie selbst dazu zu sagen haben.«
    »Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden.« Ober schlug die Beine übereinander und versuchte, nicht sofort in Panik zu geraten.
    »Das Spielchen wollen wir erst gar nicht anfangen«, erklärte Langdon und hielt Ober einen Finger unter die Nase.
    »Ober, lügen Sie uns jetzt nicht an«, sagte Marcia beschwörend, die Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt. »Das ist eine todernste Sache.«
    Ober stellte die Beine wieder nebeneinander. »Es ist nicht so, wie es aussieht ...« stotterte er.
    »Leugnen Sie?« Langdon packte Obers Armlehne.
    »Wenn Sie den Brief nicht geschrieben haben und wissen, wer es war, sagen Sie es uns doch«, sagte Marcia.
    Ober lehnte sich zur Seite, um Langdon auszuweichen. »Es war gar keine echte Todesdrohung. Der Senator war nie in Gefahr.«
    »Das habe ich dem FBI schon gesagt«, erklärte Marcia. »Und jetzt sagen Sie einfach, von wem der Brief stammt.«
    Ober schwieg, während er fieberhaft überlegte, wie er Ben aus der Sache heraushalten konnte. »Wenn Sie uns nicht sagen, wer den Brief geschrieben hat, bin ich gezwungen, Sie um Ihre Kündigung zu bitten«, sagte Marcia.
    »Ein Mordkomplott bedeutet für Sie lebenslänglich«, sekundierte Langdon.
    Ober schob seine Hand weg. »Es war doch kein Mordkomplott.«
    »Dann sagen Sie uns, wie die Sache abgelaufen ist«, forderte Langdon. »Wer hat den Brief geschrieben?«
    Wieder schwieg Ober.
    »Ober, machen Sie es sich doch nicht so schwer.« Marcia beugte sich vor.
    »Das wär's dann wohl.« Langdon erhob sich. »Es ist klar, daß wir hier nicht weiterkommen. Ich nehme ihn zum Verhör mit.«
    Marcia sprang von ihrem Stuhl auf. »Nein, das tun Sie nicht. Sie haben mir zugesagt, daß ich die Entscheidungen treffen kann. Schließlich ist deutlich geworden, daß der Senator nie in Gefahr war.«
    »Warum schützen Sie diesen Knaben?« fragte Langdon.
    »Ich schütze ihn nicht. Ich will bloß nicht -«
    »Ich hab' ihn geschrieben«, unterbrach Ober sie flüsternd. Er hatte den Kopf gesenkt.
    »Was?« sagte Marcia.
    »Ich hab' ihn geschrieben«, wiederholte er, die Augen auf den

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