Der zehnte Richter
von dem Ben den großen Weidenkorb holte. Als er ihn aufs Sofa gestellt hatte, rollten sie ihre Ärmel hoch und zerlegten methodisch den riesigen Blumenstrauß. Eine Blüte nach der anderen holten sie heraus, zerdrückten den Kelch und untersuchten jeden Stengel. Zweiundzwanzig Rosen, vierzehn Iris, elf Lilien und vier Fresiendolden später waren das Sofa wie auch der halbe Boden des Zimmers mit den zerstreuten Überresten eines zuvor erlesen gesteckten Arrangements bedeckt. Gefunden hatten die beiden nichts.
»Da muß aber was drin sein«, behauptete Lisa. »Es gab keinen anderen Grund, Blumen zu schicken.«
»Vielleicht wollte er mich bloß erschrecken«, gab Ben zu bedenken. »Oder er will mich nervös machen.«
Während Lisa das Sofa abbürstete, untersuchte Ben den Blumenhaufen noch einmal. Fünfzehn Minuten lang wiederholten die beiden ihre Inspektion jeder einzelnen Blüte. Dann rissen sie den Korb auseinander. Wieder nichts.
»Verdammt.« Ben schob die feuchte Masse vom Sofa. »Das ist unmöglich.«
»Ich glaube nicht, daß wir was übersehen haben.«
Ben setzte sich aufs Sofa und lehnte sich zurück. »Natürlich haben wir nichts übersehen. Wir haben bloß unsere Zeit vergeudet.«
»Macht nichts. Du weißt genau, daß wir das tun mußten. Ich meine, was wäre, wenn wir wirklich was gefunden hätten?«
»Haben wir aber nicht.« Ben zupfte nervös am abgewetzten Stoff des Sofas. »Es ist absolut nichts zu finden.«
Lisa legte vorsichtig die Hand auf seine Schulter. »Es ist ganz normal, wegen so einer Sache Angst zu haben.«
»Es ist bloß, daß ich erledigt bin, wenn ...«
»Ich weiß schon, was auf dem Spiel steht. Und diese Sache ist mehr, als du verdient hast. Aber gemeinsam werden wir es schon schaffen.«
»Ich will dich aber nicht da reinziehen. Ich hab's dir nur erzählt, um dich zu warnen.«
»Zu spät«, tadelte Lisa, die Hand noch immer auf Bens Schulter. »Sollen wir etwa den ganzen Tag hier rumsitzen, oder wollen wir versuchen, den Kerl aufzuspüren?«
Ben sah seine Kollegin an und zwang sich zu einem Lächeln. »Du bist wirklich eine gute Freundin, Lisa Marie. Wenn ich ins Gefängnis muß, nehme ich dich mit.«
Einige Tage später warteten Ben, Lisa und Ober darauf, daß Nathan endlich von der Arbeit kam. Im Wohnzimmer der vier Freunde saßen Ben und Ober auf der großen blauen Couch, während Lisa das kleine Sofa belegt hatte, die Beine auf dem Polster. »Das gibt's doch gar nicht«, sagte sie. »Es ist fast neun Uhr. Wo zum Teufel steckt er bloß?« »Er hat gesagt, die angeforderte Überprüfung müßte gegen sieben oder acht Uhr abgeschlossen sein.« Ben sah auf seine Armbanduhr. »Vielleicht dauert es ein bißchen länger.«
»Oder Rick hat ihn mit seiner Bande gemeiner Gerichtsassistenten gekidnappt«, phantasierte Ober, der sich die Fußnägel schnitt. »Jetzt müssen wir sie mit Hilfe behelfsmäßiger Waffen befreien, die wir uns aus gängigen Küchengeräten basteln.«
»Stimmt was nicht mit dir?« Ben sah seinen Freund an.
»War ja bloß so ein Gedanke«, verteidigte sich Ober.
Lisa versuchte, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. »Mir ist immer noch nicht klar, wie ihr es alle geschafft habt, in Washington zu landen. Meine Freunde sind jetzt im ganzen Land verstreut.«
»Das ist eigentlich ganz einfach«, erklärte Ben. »Nathan, Eric und ich, wir interessieren uns für Politik, weshalb Washington die richtige Wahl zu sein schien. Ober ist mitgekommen, weil er dabei sein wollte.«
»Stimmt gar nicht.« Ober sah von seinen Füßen auf. »Ich bin hierhergekommen, weil ich an Senator Stevens glaube.«
»Das dürfte wohl kaum stimmen«, sagte Lisa. »Du hast ja keine Ahnung von Paul Stevens.«
»Ich weiß eine ganze Menge über Stevens«, verwahrte sich Ober.
»Dann sag mir irgend etwas, was du über ihn weißt«, forderte Lisa ihn auf. »Such dir irgendein Wahlkampfthema aus und erklär es mir.« Nach einer langen Pause lachte Ober. »Er ist gegen das Verbrechen und für die Interessen der Kinder.«
»Das ist ja eine wahrhaft revolutionäre Kombination«, meinte Lisa. »Und ich hab' tatsächlich gedacht, Stevens würde das allseits populäre Programm zugunsten des Verbrechens und wider die kindlichen Interessen propagieren.«
»Laß ihn in Ruhe«, warf Ben ein. »Ober ist ein Mann von ungewöhnlich großem Wissen. Er weiß mehr, als er preisgibt.«
»Das kann ich nicht ganz glauben«, sagte Lisa.
»Solltest du aber«, meinte Ober. »Beispielsweise
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