Der zehnte Richter
Todesdrohung an einen Senator kann mich ins Gefängnis bringen.«
»Du hast einem Senator einen Drohbrief geschrieben?« Eric stahl einen Schnitz rote Paprika vom Schneidebrett.
»Ich werde euch erzählen, was passiert ist«, erklärte Ben, »aber ihr müßt schwören, kein Sterbenswörtchen davon zu verraten.« In kurzen Zügen berichtete er alles, was geschehen war, bis zu dem gemeinsam mit Nathan ausgestandenen Abenteuer in Ricks altem Apartmenthaus.
»Du bist erledigt«, meinte Ober. »Wahrscheinlich planen sie gerade jetzt deinen Tod.«
»Ich hab' dir ja gesagt, du sollst ihm nichts verraten«, sagte Nathan zu Ben. »Eric, glaubst du, daß du über einen Kollegen in der Redaktion irgend etwas über dieses Gebäude herausbekommen kannst?« fragte Ben.
»Ich kann's versuchen.« Eric vermied es, Ben in die Augen zu sehen.
»Was ist denn?« fragte Ben, der Erics Unbehagen bemerkte.
»Das ganze ist kein Witz.« Eric setzte sich an den Küchentisch. »Dieser Typ namens Rick, wer immer er auch sein mag, ist kein kleiner Betrüger. Man kann nicht einfach bei Charles Maxwell reinspazieren und verkünden: Ich hab' da ein Geheimnis Rick muß Beziehungen haben.«
»Bestimmt hat er die«, bestätigte Ben. »Als wir heute in seinem Apartmenthaus waren, hat der Verwalter kein einziges Wort über ihn verlauten lassen.«
Eric schwieg eine Zeitlang, dann sagte er: »Ich weiß, daß du das vielleicht für eine schwachsinnige Idee hältst, aber wenn du willst, kannst du die Presse davon informieren.«
»Auf keinen Fall«, winkte Ben ab. »Wenn man am Gerichtshof erfährt, daß ich den Ehrenkodex verletzt habe, muß man mich rausschmeißen, und meine Karriere ist im Eimer. Ganz abgesehen davon, daß ich vor Millionen von Menschen als Trottel dastehe.«
»Man hat dich ja auch ganz schön reingelegt«, sagte Ober und griff ebenfalls nach einem Paprikaschnitz.
»Danke«, sagte Ben. »Vielen Dank für deine Unterstützung.« Er sah Eric an. »Zum jetzigen Zeitpunkt will ich immer noch sehen, was wir selbst herausfinden können. Meine Karriere hängt sowieso schon an einem seidenen Faden, und das letzte, was ich tun will, ist, das auch noch publik zu machen.«
»Wie du willst«, meinte Eric. »Es ist schließlich dein Leben.«
Als Ben am nächsten Tag zur Arbeit kam, suchte er sofort nach der Karte aus dem Blumenkorb. Er zerfetzte den winzigen Zettel und überlegte, was er mit dem Korb selbst tun sollte. Er wollte ihn nicht bei sich haben, aber wenn er ihn wegwarf, würde Lisa noch mehr Verdacht schöpfen. Schließlich stellte er den Korb auf einen der Aktenschränke. So schmückte er einfach das Büro, und Ben konnte sagen, er sei von seiner Mutter.
Als die Blumen abgeräumt waren, zeigte sich, daß Bens Tisch über und über mit Akten bedeckt war. Neben den Stößen von Eingaben lagen Entwürfe zu anstehenden Entscheidungen. Jede Akte steckte in einer braunen Mappe mit dem Vermerk: »Vertraulich -Ausschließlich Amtszimmer Richter Hollis.« Obwohl das niemand davon abhalten konnte, einen der Ordner zu öffnen, war Hollis davon überzeugt, daß die unausweichlichen Konsequenzen potentielle Neugierige abschrecken würden. Auf jedem Ordner befand sich ferner ein gelber Klebezettel, auf dem Ben und Lisa sich gegenseitig über den Zustand des Schriftsatzes informierten. Nicht eine einzige Stellungnahme gelangte an Hollis, bevor sie beide mit ihrem Inhalt zu- frieden waren. Ben überflog die Klebezettel und entdeckte zu seiner Überraschung einen mit der Notiz: »Erster Entwurf - Sache Kramer«.
Lisa trat ins Büro. »Morgen, armer Kranker. Wie geht's dir?«
»Ganz gut.« Er hob die Akte Kramer hoch. »Das hättest du nicht machen müssen. Ich sollte doch den ersten Entwurf schreiben.«
»Ich weiß schon. Aber du warst krank, und ich hatte ein bißchen Zeit, deshalb hab' ich gedacht -«
»Du hättest aber kein ganzes zusätzliches Votum schreiben sollen. Du hast doch schon genug am Hals.«
»Vergiß es«, sagte Lisa. »Ich wollte dir helfen, und ich hab's getan. Es ist fertig. Sei dankbar.«
Ben wartete, bis Lisa an ihrem Tisch saß. Dann sagte er mit einem Lächeln: »Danke.«
Zur Mittagszeit spazierten Lisa und Ben zur Union Station, um dort zu essen. Nach jahrelanger Verwahrlosung war der Bahnhof wieder eine Touristenattraktion. In den ineinander übergehenden, gewölbten Hallen hatten zwischen den Statuen, Säulen, Skulpturen und Bogengängen über hundert erstklassige Läden aufgemacht, dazu ein Multiplex-Kino und
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