Der zehnte Richter
überprüfen, ob der Mikrophongürtel richtig saß. »Ist schon in Ordnung.« Er griff wieder nach seinem Mantel. »Falls Nathan seine Sache gut macht, dürfte alles glatt gehen. Morgen haben wir einen Bestechungsversuch auf Band und erkennungsdienstlich verwertbare Fotos in der Hand.«
»Ruf mich an, wenn alles vorbei ist. Viel Glück.« Lisa beugte sich zu Ben und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
Ben grinste. »Wie sehr mußtest du dich beherrschen, deine Zunge zurückzuhalten?«
»Ich habe es fast nicht geschafft.« Als Ben zur Tür ging, fügte Lisa hinzu: »Sieh bloß zu, daß Rick dir einen Vorschlag macht. Sonst haben wir nachher nichts als Bilder von zwei Männern beim Abendessen.« »Wird erledigt.«
Ben ging die Massachusetts Avenue entlang, zunehmend von seiner Nervosität überwältigt. Auf der Suche nach eventuellen Verfolgern sah er alle zwei Minuten über seine Schulter. Der Novemberabend war kalt - eiskalt für Washington -, und Ben klappte seinen Mantelkragen hoch. Ich bin doch aus Boston, dachte er. So ein Wetter sollte mir eigentlich nichts ausmachen. Einen halben Block von dem thailändischen Restaurant entfernt sah er sich noch einmal um. Nichts. Den Kopf gesenkt, begann er zu sprechen. »Breaker eins-neun, Breaker eins-neun, könnt ihr mich hören? Hier spricht Obers Vater, Robert Oberman. Ich wüßte gern, ob mein Sohn noch immer schwach im Kopf ist. Könnt ihr mich hören?« Am Two Quail angekommen, stellte er fest, daß der Tisch am Fenster wirklich nicht besetzt war. Wieder sah er kurz über seine Schulter. Nichts. Ein letzter Blick ins Fenster des Bangkok Orchid ließ ihn die verkleideten Gestalten von Nathan und Ober entdecken. Die beiden Freunde trugen Sweatshirts mit dem Aufdruck Washington, D. C. und passende Baseballmützen aus dem Smithsonian. Nathan hob leicht, aber unmißverständlich den Daumen, um Ben wissen zu lassen, daß der Empfänger funktionierte. Ben ging die Stufen zum Eingang des Two Quail empor und fragte sich, wann Rick wohl auftauchen würde. Bestimmt kommt er zu spät, überlegte er.
Von außen war das in einem alten Ziegelbau untergebrachte Restaurant durchaus unauffällig. Sein einziges Kennzeichen war ein winziges, in Orange und Rot gehaltenes Schild über dem Eingang. Dieser äußerliche Mangel wurde durch die feudale Einrichtung mehr als wett gemacht. Ausschließlich mit antiken Möbeln ausgestattet, erinnerte das Two Quail an ein privates, ausschließlich aus Eßzimmern bestehendes Domizil. Um den gemütlichen Eindruck zu verstärken, waren die Tische mit ungewöhnlichen Sitzmöbeln bestückt: Artdeco-Sofas, antike Ohrensessel und stilvoll gepolsterte Bänke. Am Eingang des Restaurants wurde Ben von dem in schwarze Schurwollhosen und einen passenden Rollkragenpullover aus feinstem Kaschmir gekleideten Oberkellner empfangen. »Guten Abend, mein Name ist Ben Addison. Ich bin hier mit einem Freund verabredet.«
Der Oberkellner sah auf seine Liste. »Ja, Mr. Addison, auf Ihren Namen sind für acht Uhr zwei Plätze reserviert. Wollen Sie gleich Platz nehmen oder lieber hier auf Ihren Bekannten warten?«
»Wenn's geht, würde ich mich lieber gleich an den Tisch setzen.«
»Sehr gern. Hier entlang, bitte.« Der Oberkellner führte Ben zu dem reservierten Tisch und reichte ihm eine Speisekarte. »Ich wünsche guten Appetit.«
»Ich bin drin«, flüsterte Ben in sein Hemd. »Könnt ihr mich noch hören?« Durchs Fenster konnte Ben seine beiden Freunde im gegenüberliegenden Lokal deutlich nicken sehen.
»Was sagt er denn?« wollte Ober wissen.
»Wart doch mal einen Moment.« Nathan konzentrierte sich auf die aus dem winzigen Ohrhörer dringende Stimme. »Er fragt, ob wir ihn hören können.« Nathan nickte mit dem Kopf, zwang sich zu einem Lächeln und sagte zu Ober: »Jetzt können wir nur noch warten.«
Um viertel nach acht war Rick noch immer nicht gekommen. Wo zum Teufel bleibt er? fragte sich Ben und nahm eine dünne Brotstange aus dem Korb in der Tischmitte. Vielleicht kommt er überhaupt nicht. Vielleicht hat er unseren Plan schlichtweg durchschaut. Nein, das ist unmöglich. Er wird schon kommen. Schließlich hat der verdammte Betrüger Blut geleckt. Er kommt ganz bestimmt.
»Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?« fragte der Kellner.
»Was?« Ben schreckte aus seinen Gedanken hoch.
»Wünschen Sie etwas zu trinken, während Sie warten?«
Ben sah vor sich auf den Tisch und bemerkte, daß er die Brotstange in winzige Stückchen zerbröselt
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