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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erheben, weshalb er sich nicht beklagte. Das Wort »kulturell« löste Probleme, indem es erklärte, dass sie gar nicht existierten.
    Das Licht unter der Tür verschwand. Wenige Sekunden später kam Igor mit zwei Tassen Tee auf einem Tablett in die Werkstatt.
    An dem Tee gab es nichts auszusetzen, fand Dr. Hopkins, aber der Säuregeruch trieb ihm Tränen in die Augen.
    »Wie, mm, kommt die Arbeit an den neuen Navigationstabellen voran?«, fragte er.
    »Möchteft du einen Ingwerkekf, Herr?«, erklang Igors Stimme neben ihm.
    »Oh, äh, ja… Oh, die sind wirklich lecker, Herr Igor.«
    »Nimm noch einen, Herr.«
    »Danke.« Krumen spritzten jetzt von Dr. Hopkins’ Lippen, als er sprach. »Die Navigationstabellen…«, begann er erneut.
    »Leider konnte ich dabei kaum Fortschritte erzielen«, sagte Jeremy. »Ich habe mich hauptsächlich mit den Eigenschaften von Kristallen beschäftigt.«
    »Oh. Ja. Darauf hast du eben hingewiesen. Nun, wir sind natürlich dankbar, wenn du Zeit für uns erübrigen kannst«, sagte Dr. Hopkins. »Und wenn ich hinzufügen darf, mm, es freut mich, dass du dich für neue Dinge interessierst. Wenn man sich zu sehr auf eine Sache konzentriert, mm, so leidet das Gehirn darunter.«
    »Ich habe Medizin«, sagte Jeremy.
    »Ja, natürlich. Und da wir gerade dabei sind: Ich bin heute zufällig an der Apotheke vorbeigekommen…« Dr. Hopkins holte eine große, in Papier gewickelte Flasche hervor.
    »Danke.« Jeremy deutete auf ein Regal. »Wie du siehst, habe ich nicht mehr viel.«
    »Ja, das dachte ich mir«, meinte Dr. Hopkins. Die Uhrmacher behielten den Pegel in Jeremys Medizinflasche genau im Auge. »Nun, ich gehe jetzt besser. Ausgezeichnet, das mit den Kristallen. Ich habe als Junge Schmetterlinge gesammelt. Hobbys sind wundervoll. Mit einem Glas und einem Netz war ich überglücklich.«
    Jeremy lächelte noch immer, aber sein Lächeln wirkte irgendwie gläsern.
    Dr. Hopkins trank den Rest des Tees und stellte die Tasse auf die Untertasse.
    »Und jetzt muss ich gehen«, sagte er. »Es gibt so viel zu tun. Möchte dich nicht von der Arbeit abhalten. Kristalle, wie? Wundervolle Dinge. So hübsch.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte Jeremy. Er zögerte und schien bemüht, ein kleines Problem zu lösen. »Oh, ja. Lichtmuster.«
    »Funkeln und Schimmern«, sagte Dr. Hopkins.
    Igor wartete draußen, als Dr. Hopkins den Laden verließ. Er nickte.
    »Mm… Bist du sicher, was die Medizin betrifft?«, fragte der Doktor leise.
    »O ja, Herr. Ich beobachte jeden Tag, wie er einen Löffel damit füllt.«
    »Oh, gut. Er kann ein wenig, äh, ich meine, manchmal kommt er nicht besonders gut mit anderen Leuten klar.«
    »Ja, Herr?«
    »Ist ein wenig seltsam, wenn es um, äh, Präzision geht…«
    »Ja, Herr.«
    »Was natürlich nicht heißen soll, dass es gegen Präzision irgendetwas einzuwenden gibt. Ist eine wundervolle Sache, die Präzision.« Dr. Hopkins schniefte. »Bis zu einem gewissen Grad. Nun, guten Tag.«
    »Guten Tag, Herr.«
    Als Igor in die Werkstatt zurückkehrte, füllte Jeremy gerade einen Löffel mit der blauen Medizin. Als der Löffel ganz voll war, schüttete er ihn in den Ausguss. »Sie prüfen nach«, sagte er. »Sie glauben, ich merke nichts davon.«
    »Beftimmt meinen fie ef gut, Herr.«
    »Wenn ich die Medizin nehme, kann ich nicht mehr so gut denken«, fuhr Jeremy fort. »Ohne komme ich viel besser zurecht, findest du nicht? Die Medizin behindert mich nur.«
    Igor schwieg. Seiner Erfahrung nach gingen viele der größten Entdeckungen der Welt auf Männer zurück, die als verrückt galten, wenn man normale Maßstäbe anlegte. Wenn man ihn fragte, hing Wahnsinn vom Blickwinkel ab. Und wenn dieser Blickwinkel durch die eigene Unterhose ging, sah alles gut aus.
    Doch der junge Jeremy bereitete ihm allmählich Sorgen. Er lachte nie, und Igor mochte ein ordentliches, irres Lachen, dem man vertrauen konnte.
    Seit Jeremy auf die Medizin verzichtete, hatte er nicht damit begonnen, zu brabbeln und Dinge zu rufen wie: »Verrückt! Die Leute sagen, ich sei verrückt! Aber ich werde es ihnen zeigen! Ahahahaha!« Stattdessen wurde er… noch konzentrierter.
    Und dann sein Lächeln. Ein Igor erschrak nicht leicht – sonst wäre er wohl kaum in der Lage gewesen, in den Spiegel zu sehen –, aber Jeremy beunruhigte ihn ein wenig.
    »Nun, wo waren wir stehen geblieben…?«, fragte Jeremy. »Ah, ja. Hilf mir bei dieser Sache.«
    Gemeinsam schoben sie den Tisch beiseite. Darunter zischten Dutzende von

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