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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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LeJean. »Wir verstoßen nicht gegen die Regeln. Die Zeit hält an – weiter geschieht nichts. Und anschließend ist alles ordentlich. Die Dinge leben, bewegen sich aber nicht mehr. Ordnung.«
    Einer sagte: Und dann können wir die Registratur vervollständigen.
    »Ja«, bestätigte Lady LeJean. »Und er möchte die Uhr bauen. Das ist das Seltsame daran. Er denkt kaum über die Konsequenzen nach.«
    Einer sagte: Hervorragend.
    Es folgte eine jener Pausen, die entstehen, wenn niemand zu sprechen bereit ist. Und dann:
    Einer sagte: Sag uns… Wie ist es?
    »Wie ist was?«
    Einer sagte: Verrückt zu sein. Ein Mensch zu sein.
    »Es ist… sonderbar. Alles erscheint schlecht organisiert. Das Denken findet auf mehreren Ebenen gleichzeitig statt. Es gibt… Dinge, für die wir kein Wort haben. Zum Beispiel geht eine Art… anziehende Kraft von der Vorstellung des Essens aus.«
    Einer sagte: Eine anziehende Kraft? So wie Gravitation?
    »J-ja. Man fühlt sich zu Nahrungsmitteln hingezogen.«
    Einer sagte: Zu Nahrungsmitteln in großen Mengen?
    »Auch in kleinen Mengen.«
    Einer sagte: Aber Essen ist nur eine Funktion. Wie kann man sich dazu… hingezogen fühlen, eine Funktion zu erfüllen? Es sollte genügen zu wissen, dass sie für das Überleben notwendig ist.
    »Darauf kann ich keine Antwort geben«, sagte Lady LeJean.
    Ein Revisor sagte: Du beharrst darauf, ein Personalpronomen zu verwenden.
    Und ein anderer fügte hinzu: Und du bist nicht gestorben! Ein Individuum zu sein bedeutet zu leben, und zu leben bedeutet zu sterben!
    »Ja. Ich weiß. Aber es ist wesentlich für Menschen, das Personalpronomen zu verwenden. Es teilt das Universum in die Dunkelheit hinter den Augen, wo die leise Stimme wohnt, und in alles andere. Es ist ein… schreckliches Gefühl. So als würde man ständig… in Frage gestellt.«
    Einer fragte: Was hat es mit der leisen Stimme auf sich?
    »Manchmal ähnelt das Denken dem Gespräch mit einer anderen Person, aber diese andere Person ist man selbst.«
    Lady LeJean spürte, dass dieser Hinweis die Revisoren beunruhigte. »Ich möchte nicht länger als unbedingt notwendig auf diese Weise existieren«, fügte sie hinzu. Und begriff, dass sie gelogen hatte.
    Einer sagte: Das können wir dir nicht verdenken.
    Lady LeJean nickte.
    Die Revisoren konnten ins menschliche Bewusstsein blicken. Sie sahen das Durcheinander der Gedanken, wussten sie aber nicht zu deuten. Sie sahen die zwischen den Synapsen hin und her fließende Energie, betrachteten ein Hirn, das wie eine Silvester-Dekoration glitzerte. Aber sie sahen nicht, was geschah.
    Deshalb beschlossen sie, einen Menschen zu konstruieren.
    Es war logisch. Sie hatten schon mehrmals menschliche Beauftragte eingesetzt, denn schon früh wurde ihnen klar: Für genug Gold waren sehr viele Menschen zu allem bereit. Das erschien den Revisoren seltsam, denn soweit sie feststellen konnten, hatte Gold keinen erkennbaren Wert für den menschlichen Körper – er brauchte Eisen, Kupfer und Zink, Gold aber höchstens in winzigen Spuren. Sie schlossen daraus, dass Menschen, die Gold verlangten, fehlerhaft waren, was wiederum bedeutete, dass Versuche, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, scheitern mussten. Aber warum war das menschliche Wesen fehlerhaft?
    Es fiel den Revisoren nicht weiter schwer, einen Menschen zu konstruieren. Immerhin wussten sie genau, wie man Materie bewegte. Allerdings gab es ein Problem: Das Resultat ihrer Bemühungen lag einfach nur da und verweste allmählich. Das war sehr ärgerlich, denn die Menschen schienen ohne besondere Ausbildung imstande zu sein, funktionierende Kopien von sich anzufertigen.
    Dann fanden sie heraus, dass sie einen Menschen konstruieren konnten, der sich bewegte, wenn ein Revisor in ihm steckte.
    Natürlich waren erhebliche Risiken damit verbunden, darunter der Tod. Die Revisoren mieden den Tod, indem sie gar nicht erst lebten. Sie strebten danach, so unauffällig zu sein wie Wasserstoffatome, und ohne deren Lebensfreude. Irgendein glückloser Revisor mochte den Tod riskieren, indem er den menschlichen Körper lenkte, aber nach langen Beratungen bewerteten sie die Situation so: Wenn der Pilot Vorsicht walten ließ und die ganze Zeit über mit den übrigen Revisoren in Verbindung blieb, war das Risiko minimal und vertretbar, wenn man das Ziel berücksichtigte.
    Sie konstruierten eine Frau. Und das war eine logische Wahl. Zwar verfügten Männer über mehr offensichtliche Macht als Frauen, aber oft ging persönliche

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