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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gefahr damit einher, und keinem Revisor gefiel die Aussicht von persönlicher Gefahr. Schöne Frauen hingegen erreichten viel, indem sie mächtige Männer einfach nur anlächelten.
    Die »Schönheit« erwies sich als problematisch. Auf einer molekularen Ebene ergab sie überhaupt keinen Sinn. Bei Nachforschungen stellte sich heraus, dass die Frau auf dem Bild Frau mit Frettchen von Leonard da Quirm als Inbegriff der Schönheit galt, und dies verwendeten die Revisoren als Grundlage für Lady LeJean. Natürlich nahmen sie einige Veränderungen vor. Das Gesicht auf dem Bild war asymmetrisch und voller kleiner Fehler, die sie sorgfältig korrigierten.
    Das Ergebnis übertraf die kühnsten Träume der Revisoren, wenn sie überhaupt geträumt hätten. Jetzt hatten sie ihren Strohmann, einen zuverlässigen Menschen, und dadurch wurde alles möglich. Sie lernten schnell. Besser gesagt: Sie sammelten schnell Daten, was sie für Lernen hielten.
    Und das galt auch für Lady LeJean. Seit zwei Wochen war sie ein Mensch, seit zwei erstaunlichen, verblüffenden Wochen. Wer hätte gedacht, dass ein Gehirn auf diese Weise funktionierte? Oder dass die Bedeutung von Farben über eine Spektralanalyse hinausging? Wie sollte sie die Bläue von Blau beschreiben? Oder das autonome Denken des Gehirns? Es war entsetzlich. Die Hälfte der Zeit schienen ihre Gedanken überhaupt nicht ihre eigenen zu sein.
    Überrascht hatte sie festgestellt, dass sie den anderen Revisoren nichts davon sagen wollte. Auch von anderen Dingen wollte sie ihnen nichts erzählen. Und sie musste es auch gar nicht!
    Sie hatte Macht. Natürlich über Jeremy, kein Zweifel, was sich als recht beunruhigend erwies. In dieser Hinsicht reagierte ihr Körper inzwischen von ganz allein, indem er zum Beispiel die Wangen rot werden ließ. Aber sie hatte auch Macht über die anderen Revisoren – indem sie sie nervös machte.
    Natürlich wollte sie das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Das war ihr aller Ziel: ein ordentliches, vorhersehbares Universum, wo alles an seinem Platz blieb. Wenn Revisoren träumen würden, wäre dies ein weiterer Traum gewesen.
    Aber… aber…
    Der junge Mann hatte sie auf eine unsichere, sonderbare Weise angelächelt, und wie sich herausstellte, war das Universum noch chaotischer, als die Revisoren bisher angenommen hatten.
    Ein großer Teil des Chaos fand in Lady LeJeans Kopf statt.
     
    Tick
     
    Lu-Tze und Lobsang passierten Bamm Futsch und Langes Nickerchen wie zwei Geister im Zwielicht. Menschen und Tiere waren bläuliche Statuen, und Lu-Tze wies darauf hin, dass sie auf keinen Fall angerührt werden durften.
    In mehreren Häusern fand der Kehrer Lebensmittel und erneuerte damit seinen Vorrat in der Reisetasche. Er ließ kleine Gegenstände aus Kupfer zurück.
    »Es bedeutet, dass wir den Leuten verpflichtet sind«, erklärte er und füllte auch Lobsangs Tasche. »Der nächste Mönch, der hierher kommt, schenkt ihnen vielleicht ein oder zwei Minuten.«
    »Was sind schon ein oder zwei Minuten?«
    »Für eine sterbende Frau, die sich von ihren Kindern verabschieden möchte, sind sie wie ein Leben«, sagte Lu-Tze. »Steht nicht geschrieben ›Jede Sekunde zählt‹? Lass uns gehen.«
    »Ich bin müde, Kehrer.«
    »Ich habe gerade betont, dass jede Sekunde zählt.«
    »Aber jeder muss einmal schlafen!«
    »Ja, aber nicht jetzt«, beharrte Lu-Tze. »Wir ruhen uns in einer Höhle unten bei Liedfein aus. Während man schläft, kann man nicht die Zeit falten.«
    »Können wir nicht die Dreher benutzen?«
    »Rein theoretisch ja.«
    »Rein theoretisch? Damit könnten wir Zeit abwickeln. Wir würden nur einige Sekunden schlafen…«
    »Sie sind allein für den Notfall bestimmt«, sagte Lu-Tze freiheraus.
    »Was ist für dich ein Notfall, Kehrer?«
    »Ein Notfall liegt dann vor, wenn ich beschließe, einen mit Uhrwerk ausgestatteten und von Qu entwickelten Dreher zu benutzen, Wunderknabe. Ein Rettungsring ist dazu da, einem das Leben zu retten. Nur unter solchen Umständen bin ich bereit, einen unerprobten, ungesegneten und von Federn angetriebenen Dreher zu verwenden. Wenn mir nichts anderes übrig bleibt. Ich weiß, dass Qu glaubt…«
    Lobsang blinzelte und schüttelte den Kopf. Lu-Tze griff nach seinem Arm.
    »Hast du wieder etwas gespürt?«
    »Ugh… wie ein Zahn, der mir aus dem Gehirn gezogen wird«, ächzte Lobsang und rieb sich den Kopf. Er streckte den Arm aus. »Es kam von dort.«
    »Ein Schmerz kam von dort?«, fragte Lu-Tze. Er

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