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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Verlangsamung
    dehnte sich immer weiter aus. Ein Dreher nach dem anderen stoppte in einem Domino-Effekt, der die drei Laufenden überholte. Als sie die
    kleinen Zauderer aus Kreide erreichten, kamen sie gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der letzte von ihnen verharrte.
    In der folgenden Stille hörten sie nur noch das Zischen heißer
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    Schmiere und das Knacken abkühlenden Gesteins.
    »Ist alles vorbei?«, fragte Unity. Mit dem Kleid wischte sie sich Schweiß vom Gesicht, dabei gingen weitere Pailletten verloren.
    Lu-Tze und Susanne sahen zum Glühen am anderen Ende der Höhle
    und wechselten dann einen Blick.
    »Ich… glaube… nicht«, sagte Susanne.
    Lu-Tze nickte. »Ich nehme an, er…«
    Stangen aus grünem Licht sprangen von Zauderer zu Zauderer, hingen
    starr wie Stahl in der Luft. Sie flackerten zwischen den Säulen, und es knallte immer wieder wie von Donnerschlägen. Hier und dort flammten
    Blitze und stellten neue Verbindungen her.
    Das Knallen folgte immer schneller aufeinander und wurde schließlich zu einem anhaltenden Donnern. Die Lichtstangen leuchteten heller und wuchsen, bis sie alle Schatten aus der Höhle verdrängt hatten, bis es nur noch strahlendes Weiß gab…
    Das abrupt verschwand. Das Donnern hörte so plötzlich auf, dass es
    dröhnte.
    Lu-Tze und seine beiden Begleiterinnen standen langsam auf.
    »Was ist passiert ?«, fragte Unity.
    »Ich glaube, er hat einige Veränderungen vorgenommen«, sagte Lu-
    Tze.
    Die Zauderer ruhten. Die Luft war heiß. Rauch und Dampf sammelten
    sich unter der Höhlendecke.
    Dann reagierten die Dreher auf das ewige Ringen der Menschheit mit
    der Zeit und setzten sich wieder in Bewegung.
    Ein neuer Anfang, sanft wie eine Brise. Die Zauderer nahmen die
    Belastung auf, vom kleinsten bis zum größten, begannen erneut mit
    ihren massigen Pirouetten.
    »Perfekt«, kommentierte Lu-Tze. »Fast so gut wie vorher, nehme ich
    an.«
    »Nur fast?«, fragte Susanne und wischte sich Butter aus dem Gesicht.
    »Nun, er ist zum Teil ein Mensch«, sagte der Kehrer. Sie sahen zum
    Podium – niemand stand dort. Das überraschte Susanne nicht. Bestimmt 346

    war er jetzt geschwächt. Eine solche Anstrengung hätte jeden erschöpft.
    Ja, er musste ausruhen. Natürlich.
    »Er ist fort«, sagte sie schließlich.
    »Wer weiß?«, erwiderte Lu-Tze. »Denn steht nicht geschrieben, ›Man
    weiß nie, was sich ergibt‹?«
    Das beruhigende Grollen der Zauderer füllte nun die Höhle. Lu-Tze
    spürte den Zeitfluss in der Luft. Es war erfrischend, wie der Geruch des Meeres. Ich sollte hier mehr Zeit verbringen, dachte er.
    »Er hat die Geschichte zerstört und repariert«, sagte Susanne. »Ursache und Heilung. Das ergibt doch keinen Sinn!«
    »Nicht in vier Dimensionen«, sagte Unity. »In achtzehn hingegen ist
    alles völlig klar.«
    »Darf ich den Damen nun raten, die Höhle durch den Hinterausgang
    zu verlassen?«, sagte Lu-Tze. »Bestimmt treffen gleich die ersten Leute ein, und eine Zeit lang dürfte ziemliche Aufregung herrschen. Es ist besser, wenn ihr dann nicht hier seid.«
    »Und du?«, fragte Susanne. »Was hast du vor?«
    »Ich werde lügen«, sagte Lu-Tze und lächelte. »Es ist erstaunlich, wie oft das funktioniert.«

    … ck

    Susanne und Unity traten durch eine Tür in der Felswand, passierten
    einige Rhododendronsträucher und erreichten den Pfad, der aus dem Tal führte. Die Sonne berührte den Horizont, und die Luft war warm,
    obwohl sich Schneefelder in der Nähe erstreckten.
    Am Zugang zum Tal fiel das Wasser eines Baches über den Rand einer
    Klippe und stürzte so weit in die Tiefe, dass es den Boden als eine Art Regen erreichte. Susanne zog sich auf einen Felsen und nahm dort Platz, um zu warten.
    »Es ist ein weiter Weg bis nach Ankh-Morpork«, sagte Unity.
    »Jemand wird uns mitnehmen«, erwiderte Susanne. Die ersten Sterne
    zeigten sich am Himmel.
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    »Die Sterne sind sehr hübsch«, meinte Unity.
    »Glaubst du wirklich ?«
    »Ich lerne. Menschen halten sie für hübsch.«
    »Weißt du, manchmal sieht man das Universum an und denkt: ›Was ist
    mit mir?‹ Und dann glaubt man zu hören, wie das Universum antwortet:
    ›Was soll schon mit dir sein?‹«
    Unity dachte darüber nach. »Nun? Was ist mit dir?«, fragte sie.
    Susanne seufzte. »Genau.« Sie seufzte erneut. »Wenn man die Welt
    rettet, kann man nicht an nur eine Person denken. Man muss ein kühl
    kalkulierender Mistkerl sein.«
    »Das klang, als hättest du jemanden zitiert«, sagte Unity.

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